267 Das große Hauptquartier des Königs befand sich in der PrcO fektur, einem schloßähnlichen Gebäude, dessen Bau 3000000 Franken ge¬ kostet hat. Wo die Truppen notwendig ihren Marsch machen mußten, da nahm der König sein Quartier; er muß an das Fenster treten, wenn die Trommel wirbelt, oder wenn die Musik Die Wacht am Rhein spielt. Graf Bismarck dagegen wohnte in einer der stillsten Straßen von Versailles, fern vom Stadtlärm. Gras Moltke bewohnte ein Haus, in dem sich auch die Bureaux des Generalstabes befanden. Der Gedanke an die Wiederherstellung des Deutschen Reichs unter einem Kaiser hatte sich nach den siegreichen Kämpfen in allen Volks¬ schichten geltend gemacht. Da ging die kurze, aber inhaltreiche Notiz durch die Zeitungen: „Versailles, den 3. Dezember. Prinz Luitpold von Bayern übergab im Hauptquartiere zu Versailles dem König Wilhelm ein Schreiben des Königs Ludwig von Bayern, worin derselbe den König ersucht, das Deutsche Reich und die deutsche Kaiserwürde wiederherzustellen und mit Zustimmung der deutschen Fürsten den Kaisertitel anzunehmen." Am 7. Dezember empfing der Norddeutsche Reichstag ein Schreiben des Bundeskanzlers Bismarck, durch welches der am gleichen Tage vom Bundesrate gefaßte Beschluß mitgeteilt ward, daß künftighin der deutsche Bund den Namen Deutsches Reich und der König von Preußen den Namen Deutscher Kaiser führe. Hierauf wurde im Reichstage beschlossen, eine Adresse an den König zu erlassen. Dreißig durchs Los gewählte Mitglieder des Reichs¬ tages wurden beauftragt, dieselbe dem Könige in Versailles zu über¬ reichen. Am 16. Dezember traf die Deputation daselbst ein, und am 18. Dezember wurde sie nach beendigtem Gottesdienste empfangen. Am 1. Januar trat die neue Bundesverfassung in Kraft, und es war Deutschland von nun ab wieder ein Reich. Am 14. Januar erließ der König ein Schreiben an alle deutschen Fürsten, durch welches er ihnen Anzeige machte, daß er gewillt sei, die ihm von den Fürsten und von den freien Städten mit Zustimmung der Nation angebotene deutsche Kaiserkrone anzunehmen und das Deutsche Reich wiederherzu¬ stellen; er sprach dabei die Hoffnung aus, daß er und seine Nachfolger mit Gottes Hilfe diese Würde stets zum Ruhme und zum Segen des Deutschen Reiches bekleiden würden. Am 18. Januar endlich, am Gedächtnistage der Krönung preußischer Könige, erfolgte in Versailles die Proklamierung des Königs Wilhelm zum Deutschen Kaiser. Ein Augenzeuge erzählt folgendes:^ „Um 11 Uhr war das ganze militärische Versailles in lebhafter Bewegung. Im Hose des Schlosses war ein Spalier von Truppen ausgestellt. Aus der großen Prachttreppe des linken Schloßflügels stieg man hinan zu den Gemächern Ludwigs XIV. In der Mitte des großen Spiegelsaales, wo immer die Siege der Franzosen über die Deutschen gefeiert wurden, war ein Altar mit zwei kerzenreichen Kande-