Bilder zur Kultur und Geschichte des deutschen Volkes. 291 nicht in gleichem Grade wie die eben erörterte unmittelbar, jedenfalls mittelbar wichtige Bedeutung. Nenne man die Kreuzzüge immerhin an phantastisches Unternehmen, — ein Urleil, welches sich notdürftig vor dem Richlerstuhle der weltlichen Geschichte, auf keinen Fall vor dem höheren Tribunal der christchen Kulturgeschichte rechlfertigen läßt, — nenne man sie aber immerhin so, eben dieses Phantastische war ein nicht geringes Erregungsmittel der höchsten poetischen Fähig— keiten jener Zeit. Ein halbes Jahrtausend hatie die deutsche Nation in stiller Beschränkung auf sich selbst gelebt, höchstens den eigenen ed verteidigt gegen die Angriffe räuberischer Ungarnhorden; ein halbes Jahrtausend hatten lange Reihen von Generationen still und zufrieden in den engen Ringmauern und schmalen Gassen ihrer Städte, in den einfachen Burgen, in den stillen Dörfern und auf den ein— samen Gehöften am Waldessaum und auf der grünen Heide gewohnt: was draußen war, war fremd und unbekannt, nicht gesucht und nicht begehrt. Jetzt mit einem male wurde eine fremde, glänzende Welt, wurde die nie gesehene Pracht des Orients vor ihnen aufgethan; eine zauberische Ferne voll lebhafter, glühender Farben that fich vor den erstaunten Blicken auf; die Kreuzheere der Franzosen zogen die wieder eröffneten Völkerstraßen entlang auf ihren reichgeschmüdten Rossen, in Nanzenden Kriegsgewändern, voll Eroberungsdrang, Siegeshoffnung, Lriegerlust und Sangesjubel vor den erstaunten Aügen der zuschauen⸗ den Deutschen vorüber; — mit einem Worte, es erwachte in dem ganzen Volke das unbeschreibliche, aus süßer Heimatliebe und unwider stehlchem Drange in die Ferne, aus bitterem Abschiedsschmerz und srrhlicher Reiselnst gemishte Gefühl welhen nogeennede s deutschen Junglnge istn wenn er den ersen Schritt aus dem Vaterhause in die unbekannte Fremde thut. Diesen Seelenzustand tepräsentieren unsere Gedichte dieses Zeitraums sämilich; einige, wie der unsterbliche Parcival Wolframs von Eschenbach, sind sogar zum Irößten Teil auf denselben gegründen und bleiben dem in ihren er⸗ Lreifendsten Momenten unverständlich, welcher diesen Zustand nicht in sich erfahren hat und nicht in sich wieder zu erzeugen vermag. d Nehmen wir zu allem diesem noch hinzu die politische Größe des amaligen deutschen Reiches; sehen wit in dem deutschen Kaiser das weltliche Haupt der Christenheit, in den deutschen Heeren, dem Adel seinen Gefolgschaften den Kern der europäischen Tapferkeit, in dem Nuthen Volke unter seinem Kaiser die weltgebietende Ration, wenden b unsern Blick auf die Personen, welche damals auf dem deutschen aiserthrone saßen, auf die lebensfreudigen und lebensmutigen, begei— llen und von den höchsten Ideeen erfüllten Hohenstaufen. so werden ur gestehen müssen, daß kein Zeitraum reicher an den fruchtbarsten, wegendsten, ja, entflammendsten poetischen Elementen gewesen sei, als n diese Zeit, die wir betrachten. War doch der mächtige Friedrich, v erste Hohenstaufe, selbst eine poetische Figur ersten Raͤnges, von in Augenblicke an, wo er den Herrscherstab mn kräftiger Hand ergriff, 198*