524 Da stößet kein Nachen vom sichern Strand, Der ihn setze an das gewünschte Land, Kein Schiffer lenket die Fähre. Und der wilde Strom wird zum Meere. 8. Da sinkt er ans Ufer und weint und fleht, Die Hände zum Zeus erhoben: „O hemme des Stromes Toben! Es eilen die Stunden, im Mittag steht Die Sonne, und wenn sie niedergeht, Und ich kann die Stadt nicht erreichen, So muß der Freund mir erbleichen.“ 9. Doch wachsend erneut sich des Stromes Wut, Und Welle auf Welle zerrinnet, Und Stunde an Stunde entrinnet. Da treibt ihn die Angst, da faßt er sich Mut Und wirft sich hinein in die brausende Flut Und teilt mit gewaltigen Armen Den Strom, und ein Gott hat Erbarmen. 10. Und gewinnt das Ufer und eilet fort Und danket dem rettenden Gotte: Da stürzet die raubende Rotte Hervor aus des Waldes nächtlichem Ort, Den Pfad ihm sperrend, und schnaubet Mord Und hemmet des Wanderers Eile Mit drohend geschwungener Keule. 11. „Was wollt ihr?“ ruft er vor Schrecken bleich, „Ich habe nichts als mein Leben, Das muß ich dem Könige geben!“ Und entreißt die Keule dem nächsten gleich: „Um des Freundes willen erbarmet euch!“ Und drei mit gewaltigen Streichen Erlegt er, die andern entweichen. 12. Und die Sonne versendet glühen— den Brand, Und von der unendlichen Mühe Ermattet sinken die Kniee „O hast du mich gnädig aus Räubershand, Aus dem Strom mich gerettet ans heilige Land. Und soll hier verschmachtend verderben, Und der Freund mir, der liebende, sterben!“ 13. Und horch, da sprudelt es silberhell Ganz nahe wie rieselndes Rauschen, Und stille hält er zu lauschen. Und sieh, aus dem Felsen, geschwätzig, schnell Springt murmelnd hervor ein lebendiger Quell; Und freudig bückt er sich nieder Und erfrischt die brennenden Glieder. 14. Und die Sonne blickt durch der Zweige Grün Und malt auf den glänzenden Matten Der Bäume gigantische Schatten; Und zwei Wanderer sieht er die Straße ziehn, Will eilenden Laufes vorüber fliehn, Da hört er die Worte sie sagen: „Jetzt wird er ans Kreuz geschlagen!“ 15. Und die Angst beflügelt den eileu⸗ den Fuß, Ihn jagen der Sorge Qualen; Da schimmern in Abendrots Strahlen Von ferne die Zinnen von Syrakus, Und entgegen kommt ihm Philostratus, Des Hauses redlicher Hüter, Der erkennet entsetzt den Gebieter: 16. „Zurück! Du rettest den Freund nicht mehr, So rette das eigene Leben! Den Tod erleidet er eben. Von Stunde zu Stunde gewartet' er Mit hoffender Seele der Wiederkehr, Ihm konnte den mutigen Glauben Der Hohn des Tyrannen nicht rauben.“ — 17. „Und ist es zu spät, und kann ich ihm nicht Ein Retter willkommen erscheinen, So soll mich der Tod ihm vereinen! Des rühme der blut'ge Tyrann sich nicht, Daß der Freund dem Freunde gebrochen die Pflicht; Er schlachte der Opfer zweie Und glaube an Liebe und Treue!“ 18. Und die Sonne geht unter; da steht er am Thor Und sieht das Kreuz schon erhöhet, Das die Menge gaffend umstehet,. *