Vorrede. Es giebt wohl keine Schule, die sich nicht einen festen Kanon deutscher Gedichte aufzustellen suchte, den die jungen Menschenkinder als unverlier¬ bares geistiges Gut mit ins Leben nehmen sollen. Da die pädagogischen und ästhetischen Gesichtspunkte, nach denen solche Sammlungen angelegt werden, naturgemäß verschieden sind, wird auch das Ganze selbst an Wert und Umfang recht verschieden ausfallen. So sind auch wir uns bewußt, daß unser Kanon ein durchaus subjektives Werk ist, und es liegt uns ganz fern, ihn den Fachgenossen irgendwie aufnötigen zu wolle». Nur ein Muster soll er sein, das vielleicht da und dort nicht unwill¬ kommen ist, zumal er sich in seinen Grundlagen schon seit mehreren Jahren praktisch bewährt hat. Im Winter 1890/91 wurde nämlich durch eine Kommission des Lehrerkollegiums der Königl. Elisabethschule zu Berlin ein Kanon aufgestellt, der von uns mit einigen — allerdings nicht unwesentlichen — Veränderungen dem hier gebotenen Kanon zu Grunde gelegt worden ist. Jener Kommission gehörte außer dem da¬ maligen Direktor der Anstalt, Herrn Prof. Dr. Waetzoldt, und Herrn Pros. Dr. Bachmann der mitunterzeichnete Oberlehrer Speyer an; und so ist es ja wohl selbstverständlich, daß bei der hier vorliegenden Sammlung dieselben Grundsätze weiterwirkten und zu ganz ähnlichen Ergebnissen führten. Auch wir geben einen Kanon für alle Klassen. Deshalb war es nötig, zuerst alle diejenigen Gedichte der früheren Bände nochmals ab¬ zudrucken, die nach unserem Urteile kanonisch sind; denn sie müssen auch auf der Oberstufe immer und immer wiederholt werden. Es schließt sich dann an sie eine hoffentlich genügende Zahl von Gedichten an, die in Klasse II und I neu hinzugelernt werden sollen. Eine Gliederung des Ganzen in einen Haupt- und einen Nebenkanon haben wir nicht vor¬ genommen, sondern diese allerdings unerläßliche Arbeit den Lehrern überlassen, die sich dabei mit Fug und Recht nach persönlichen Neigungen und örtlichen Bedürfnissen richten werden. Neben dem Kanon — und zwar als ersten Abschnitt unseres 1^. Bandes — bringen wir für die Oberstufe eine besondere Sammlung