Sach: Die alten Germanen. 12 33 dabei nicht nach Tagen, sondern nach Nächten. Zu der Versammlung kam jeder bewaffnet und setzte sich nieder, wo es ihm gefiel. Den Priestern stand das Strafrecht zu; sie geboten Schweigen. Hier wurde Urteil und Recht über alle gesprochen, die den Frieden gebrochen oder sich sonst gegen freie Männer vergangen hatten, für jede Gewalttat unter dem Vorsitz des Fürsten Buße erkannt, die anfangs in Rindern und Pferden bestand und den Beschädigten oder seinen Blutsfreunden oder der Gemeinde gezahlt wurde. Mochte im Kriege der Herzog oder König Schläge oder Tod be— stimmen, hier im Frieden waren Rücken und Hals des Freien gesichert, und nur der verfiel dem Tode, den die große Gauversammlung des Landes— verrats oder der Feigheit für schuldig fand. Die von der Gemeinde er— kannte Buße für Totschlag, Wergeld, d. h. Mannesgeld, genannt, richtete sich nach dem Stande des Erschlagenen. Erst durch Erlegung des Wergelds wurde der Frevel gesühnt, und der Täter erkaufte sich damit aufs neue den Schutz und den Frieden der Gemeinde; nur wer diesen beharrlich brach, wurde für friedlos erklärt. Doch stand es auch der Familie zu, zur Selbst— hilfe zu schreiten und Blutrache an dem Mörder zu üben, und häufig wurde der richterliche Spruch der Gemeinde wie das Wergeld verschmäht und der Frevel blutig gerächt; oft trieb dann Rache zu neuer Rache, und in end— loser Fehde führte ein Geschlecht gegen das andere die Waffen bis zu seiner gänzlichen Vertilgung. Einfach wie das Leben und die staatlichen Einrichtungen war auch der Dienst der Götter; man betete zu göttlichen Wesen, in denen sich natürliche und sittliche Elemente verbanden. Es gab keine Bilder, nur Symbole oder Zeichen der Götter; keine Tempel, sondern heilige Haine waren die gottes— dienstlichen Stätten. Durch Opfer wurden die Götter geehrt und versöhnt, und ihren Willen erforschte man durch Losung, im Flug der Vögel, im Wiehern der heiligen Rosse. Sie leiteten und bestimmten das Leben; sie walteten in der Natur; ihnen fühlte man sich allzeit nahe, ihnen diente man im Leben, zu ihnen ging man im Tode. Mit scheuer Ehrfurcht ward die Leiche behandelt; Waffen und andere Geräte wurden mit ins Grab ge— legt, unter mancherlei Feierlichkeiten der Leib verbrannt, die Stätte sorg— fältig bereitet und heilig gehalten und unter den Schutz der Götter gestellt. Alles, was Kampf und Krieg betraf, fand besondere Pflege. Neben Kolben, Keulen aus Holz und Streithämmern aus Stein führten die Ger— manen vorzugsweise die Framea oder den Streitmeißel, einen Speer mit kurzer, schmaler Eisenspitze und kurzem Schafte, zugleich zum Stoß und Wurf geeignet. Bogen und Pfeil mit Spitzen aus Feuerstein, die man auf der Jagd brauchte, wurden im Kriege verschmäht. Schwerter blieben noch lange kostbar und selten; bei den Sachsen waren sie kurz und messerartig;