160 ^ ^ IS^ Die Schriftsteller riefen die Erinnrung an die gleiche Erhebung von 1813 wach; die Dichter fügten den alten Gesängen von Arndt, Körner 45 und Schenkendorf neue Kampfeslieder hinzu, einige, z. B. Geibels pracht¬ voller Siegesjubel, von höchster poetischer Wirkung; es gab keine Zei¬ tung, die nicht Tag für Tag die Begeisterung zu steigern gesucht hätte. Lange Jahrhunderte waren vorübergegangen, wo überall Deutsche gegen Deutsche gekämpft hatten, ohne zu wissen, was sie taten; jetzt endlich 50 war die deutsche Volksseele ihrer Einheit und ihrer Kraft bewußt ge¬ worden, und Millionen drängten sich mit freudigem Entschluß zu dem neuentdeckten Bruderbund und zur Abwehr des alten, schlimmen Wider¬ sachers. Dieser Krieg sollte nicht ein Turnierplatz ritterlicher oder diplo¬ matischer Kampfspiele werden; nein, es stand fest bei Fürsten und 55 Bauern, bei Staatsmännern und Soldaten, man wolle kämpfen bis zum letzten Atemzuge oder der gründlichen Überwältigung des Friedensstörers. Alle andern Interessen traten zurück, die Gegensätze der Parteien und Bekenntnisse verblaßten; aus dem geselligen Verkehr verschwand der Prunk und die Eifersucht der Koterien; keine niedrige Sorge, keine ge- 60meine Selbstsucht durfte sich hervorwagen; es war, als wären vordem mächtig emporsteigenden Bilde des Vaterlands die Menschen besser und reiner geworden. Wer in Deutschland das Glück gehabt hat, diese ersten Tage der nationalen Auferstehung zu erleben, wird ihr Andenken als heiligen Schatz sein Leben lang im Herzen bewahren. Heinrich von Sybei. 45. 3m Schlotte zu Versailles am 18. Januar 1871. 1. Morgen des 18. Januar war angebrochen; das Leben und Treiben nahm beständig zu. Die bunten Uniformen der ver¬ schiedensten Waffengattungen, die an diesem festlichen Tage in Versailles vertreten waren, gewährten einen malerischen Anblick, und ihre Zahl 5 nahm keinen kleinen Raum in Anspruch, trotzdem sich nur einzelne Ab- Ordnungen der um Paris liegenden deutschen Heerkörper an der Kaiser¬ feier beteiligen konnten. In der zehnten Morgenstunde begaben sich sämtliche anwesende Offiziere nach dem Schloßhof des königlichen Palastes, um sich in der Nähe von Ludwigs XIV. Reiterstandbild io zu sammeln. Noch waren sie nicht vollzählig erschienen, als aus der Ferne ein kriegerischer Marsch erklang, der allmählich näher kam; bald wurden im Wind wehende Fahnen sichtbar, bis schließlich ein kleiner, aber