220 8y. Die Baumwolle und ihre Kultur. von allen Kulturpflanzen spielt, weltwirtschaftlich betrachtet, die Baumwolle die erste Bolle. In landwirtschaftlicher Beziehung steht sie freilich bedeutend hinter den großen Nahrungslieferanten Weizen, Neis und Mais zurück,- nimmt doch allein der Weizenbau der Welt eine etwa fünfmal so große Fläche ein wie die Baumwolle, und über¬ trifft doch auch der Wert des auf der Erde erzeugten Weizens den der Baumwolle um etwa das vierfache. Dennoch ist die volkswirtschaft¬ liche Bedeutung der Baumwolle eine verhältnismäßig besonders hohe, da der Wertzuwachs, den die Baumwolle durch die Verarbeitung er¬ hält, sehr viel größer ist, als dies bei den Getreidearten der Fall ist. Das Mähen und Backen sind sehr viel einfachere Vorgänge als das Zpinnen und Weben, das Färben, Bleichen, Appretieren, Drucken und die andern verwickelten Verrichtungen, wie Zuschneiden, Nähen, Blicken, Klöppeln usw., die mit der Verarbeitung der Baumwolle verbunden sind. Oie jetzige jährliche Weltproduktion an Baumwolle entspricht einem Wert von mindestens 4^2 Milliarden Mark, wozu noch für die Baat mindestens eine halbe Milliarde Mark hinzukommt,- mindestens 15 Mil¬ lionen Menschen sind mit der Bearbeitung von Baumwolle beschäftigt. von den IV2 Milliarden Menschen, die auf der Erde leben, kleiden sich sicherlich 4/s> also 1200 Millionen, im wesentlichen in Baumwolle, während nicht weniger als 25 Millionen Menschen in ihrem ganzen Dasein von dieser wichtigen Nutzpflanze abhängen. Man kann sich schwer ausmalen, was die Menschheit bei ihrem jetzigen Kulturzustande anfangen würde, wenn ihr plötzlich die Baum¬ wolle genommen würde. Natürlich würde man wieder mehr zu der tierischen Wolle sowie zu Leinen, Hanf und andern Pflanzenfasern über¬ gehen. Nn der Baumwolle ähnlichen Faserstoffen würde es nicht fehlen, wohl aber an eigentlichem (Erfa^; denn keine dieser Fasern kommt in ihren Eigenschaften der Baumwolle nahe, und eine Faser, die als voll¬ gültiger Ersatz der Baumwolle dienen könnte, ist bisher noch nicht entdeckt und dürfte wohl auch kaum mehr gefunden werden. Was ist denn nun aber diese Baumwolle, dieses merkwürdige Gewächs, von dem das Wohl und Wehe eines so großen Teiles unserer Mitmenschen abhängt? Unter welchen klimatischen Bedingungen wächst die Baumwolle? Woher stammt sie? Wie lange kennt man sie, und seit wann und wo pflanzt man sie an? Die Baumwollpflanze ist ein Gewächs, das als Mittelding zwischen Baum und Btrauch anzusehen ist, also eine Urt Baumstrauch, wie sich solche in den Tropen sowie besonders in den Grenzgebieten zwischen den Tropen und der gemäßigten Zone sehr häufig finden,- die vielfach breit ausladende Verzweigung deutet auf einen Btrauch, die höhe und häufig recht starke Entwicklung des Hauptstammes mancher Borten auf einen