230 Pulse des Volkslebens warm und fröhlich weiterschlagen, damit Deutsch¬ land deutsch bleibe. Die Bewohner der deutschen Walddörfer haben fast durchweg ein ungleich eigneres, frischeres geistiges Gepräge als in den reinen Feld- dörfern. Hier steht meist mehr feister Wohlstand grell neben größerer Entartung der Sitten als dort. Die Walddörfer sind oft sehr arm, aber der mißvergnügte Proletarier haust viel öfter in den reinen Feld¬ dörfern. Diese sind volkswirtschaftlich, jene sozialpolitisch von größerer Wichtigkeit. Der Waldbauer ist roher, händelsüchtiger, aber auch lustiger als der Feldbauer; es wird oft da ein genialer Lump aus ihm, wo aus dem schwerfälligen Feldbauern ein herzloser Geizhals geworden wäre. Die Erhaltung oder Vertilgung der alten Volkssitten und Trachten folgt nicht so sehr dem Gegensatz von Bergland und Flach¬ land, wie von Waldland und Feldland, wofern man unter jenes auch die Heiden, Moore und andere wüste Gegenden einbegreift. Das Wald¬ land ist der Herd der volkstümlichen Kunst; der Waldbauer singt mit den Vögeln des Waldes noch durch lange Geschlechter seinen eignen Sang, wenn dem benachbarten Felddörfler das Volkslied schon weitab verklungen ist. Ein Dorf ohne Wald ist, wie eine Stadt ohne historische Bauwerke, ohne Denkmäler, ohne Kunstsammlungen, ohne Theater und Musik, kurz ohne gemütliche und künstlerische Anregung. Der Wald ist der Turnplatz der Jugend, oft auch die Festhalle der Alten. Wiegt das nicht mindestens ebenso schwer, wie die ökonomische Holzfrage? Den freien Wald und das freie Meer hat die Poesie mit tiefsinnigem Wort auch den heiligen Wald und das heilige Meer genannt, und nir¬ gends wirkt darum diese Heiligkeit der unberührten Natur ergreifender, als wo der Wald unmittelbar dem Meer entsteigt. Wo der Wogenschlag des brandenden Meeres mit den rauschenden Wipfeln der Bäume zu einem Hymnus zusammenbraust, aber auch in dem lautlosen, mittägigen Schweigen des deutschen Eebirgswalds, wo der Wanderer, meilenweit von jeder menschlichen Niederlassung entfernt, nur den Schlag des eignen Her¬ zens in der Kirchenstille der Wildnis hört, da ist der rechte heilige Wald. Deutschland hat durch die in neuerer Zeit aus Gründen der Not oder kurzblickender Finanzweisheit immer weiter getriebene, künstliche Umwandlung des stolzen Laubholz-Hochwaldes in kurzlebige Nadelwälder mindestens ebensoviel von seinem eigentümlichen Waldcharakter ver¬ loren, wie durch die völlige Rodung ungeheurer Waldflächen. In den alten Forstordnungen wird auf den Schutz der Eichen mit Recht ein