Wagnis und Abenteuer führte ihn im Verkehr mit den Offizieren zum Spiel und Wein; die Freunde fürchteten für ihn und wußten nicht, daß er zugleich Spinoza, die Kirchenväter und Winckelmann las, daß er am Laokoon schrieb und vom Leben selber den Stoff zu Minna von Barn¬ helm empfing. Winckelmann hatte den Bildnern die Allegorie empfohlen, und die Poeten in England und Deutschland, Thomson wie Haller wurden wegen ihrer Naturschilderungen bewundert; das Wort des Simonides, die Malerei sei eine stumme Dichtkunst, diese eine redende Malerei, war in aller Mund; da zog Lessing zuerst die Grenze zwischen beiden und be¬ stimmte ihre Stilunterschiede, indem er von der Vergleichung der Vergil- schen Erzählung mit der plastischen Gruppe von Laokoon ausging. Er zuerst erkannte, daß die verschiedenen Künste ebenso gut eigentümliche Stoffgebiete und Auffassungsweisen, als ein verschiedenes Darstellungs¬ material haben, und daß das Prinzip oder Gesetz einer jeden in dem¬ jenigen zu suchen sei, was sie allein oder am vollendetsten vermag. In der Schönheit sah er das gemeinsame Ziel der alten Kunst, aber das Ideal der Leibesschönheit werde durch die reine Form in der Plastik, in der Poesie das Ideal der Handlung verwirklicht. Die Malerei gebraucht Figuren und Farben im Raum, die Poesie artikulierte Laute in der Zeit; jene drücken darum das nebeneinander Bestehende, diese das nacheinander Folgende aus; Körper mit ihren sichtbaren Eigenschaften sind Vorwurf der Malerei; Bewegung, Handlung ist Gegenstand der Poesie. Aber die Körper existieren in der Zeit und bewegen sich in ihr, und der bildende Künstler hat deshalb den prägnanten Moment zu erfassen, der in der gegenwärtigen Stellung das Frühere und das Kommende mit erschließen läfet; Handlungen und Bewegungen bedürfen des Körpers zu ihrem Träger, und wenn die Poesie auch stets nur Eine Eigenschaft eines Körpers angeben, Einen Zug in die fortschreitende Handlung einflechten kann, so vermag sie sukzessiv ein Bild desselben zu entwerfen; Homer schildert uns seine Helden wie sie nacheinander ihre Waffen anlegen oder läßt den Schild des Achilleus vor unsern Augen in der Werkstatt des Feuergottes entstehen. Wollte der Dichter beschreiben, was gleichzeitig im Raume vorhanden ist, so erführen wir nur eins nach dem andern und die Worte reichten doch nicht aus; gerade die Hauptsache, das Zu¬ sammensein des Mannigfaltigen und feine Übereinstimmung zum Ganzen müßte er der Phantasie überlassen, während der Bildner eben dies ver¬ anschaulicht, da wir sein Werk mit einem Blick erfassen. Darum schildert Neuland. VII—IX in 1 Bande. 14