290 Herr, das Gesetz, das höchste, oberste, Das wirken soll in deiner Feldherrnbrust, Das ist der Buchstab deines Willens nicht, Das ist das Vaterland, das ist die Krone, Das bist du selber, dessen Haupt sie trägt — wer sollte da den Sehergeist des Dichters nicht bewundern? Denn gerade so dachten drei Jahre später die Männer des ostpreußischen Landtags, als sie, ohne den Ruf des Königs abzuwarten, für ihn und für das Vaterland sich erhoben. Noch vor wenigen Jahren wurde auf der Leipziger Bühne der Schlußvers des Dramas, der Schlachtruf der Offiziere: „In Staub mit allen Feinden Brandenburgs" nicht geduldet. Er lautete dort, ob¬ schon der mißhandelte Iambus sich heulend wider den Frevel ver¬ wahrte, „in Staub mit allen Feinden Germaniens!" Ich aber glaube, daß eine nahe Zukunft den „preußischen Partikularismus", welcher der königlich sächsischen Vaterlandsliebe so anstößig erschien, dem Dichter zum Ruhm anrechnen wird. Der Prinz von Homburg darf noch auf ein langes Bühnenleben zählen, denn er ist, kurz und gut, das einzige gelungne historische Drama hohen Stils, das seinen Stoff aus der neuen deutschen Geschichte schöpft — aus der Geschichte, die noch in Wahrheit die unsre ist, aus der Geschichte, die mit der derben Prosa ihrer Lebens¬ formen uns doch traulicher zum Herzen redet als die phantastische Pracht des Mittelalters. Wir atmen die freie Luft des historischen Lebens und fühlen uns doch behaglich wie in unserm Haus: niemand unter uns, der nicht einmal seine Freude gehabt hätte an dem ehrlichen grauen Schnurrbart eines wirklichen Obersten Kottwih. Wer ganz empfindet, wie von Grund aus das Gemüt unsres Volks seit den Stürmen des Dreißigjährigen Kriegs sich verwandelt hat, der weiß diesen glücklichen Griff des Dichters auch ganz zu würdigen. Und wenn dereinst unter dem Segen des preußischen Heerwesens die alte stolze Waffenfreudigkeit unsres Volks überall in Deutschland wieder erwachen wird, dann wird auch dies schönste Werk deutscher Soldatendichtung zu Ehren kommen, und selbst die Schwaben und Obersachsen werden dem Sänger verzeihen, daß er ein Preuße war. Wie frei und glücklich schwebt des Sängers Geist über dem selbst¬ empfundenen Leid, das er in diesem Gedicht uns darstellt! Wie sollte der Dichter nicht selber die Versöhnung gesunden haben, die er so heiter an seinem Helden geschildert? Und doch stand es anders, ganz anders