342 Mundart ist, wie manche unserer Landsleute glauben, — kennen wir eine bayrische, kennen schweizerische, fränkische, plattdeutsche Mundarten. Man spricht von einer Kölner, einer Frankfurter, einer Nürnberger Mundart, aber warum geht es uns wider das Gefühl, eine Berliner Mundart anzuerkennen? Warum würden wir die Sprechweise, die uns gelegent¬ lich unter diesem Namen dargeboten wird, lieber eine Mundunart nennen? Es tritt uns in ihr eine neue Sprachform entgegen, die mit dem Bilde, das wir uns bisher von der Mundart machen konnten, im Widersprüche steht. Einmal fehlt die reiche landschaftliche Gliederung des Sprachkreises, weil die Berliner Sprechweise ganz und gar der ländlichen Beimischung entbehrt und auf städtischen Verkehr sich ein¬ schränkt. Die Frankfurter, Kölner, Nürnberger Mundart hat ihr Hinter¬ land und ihren ununterbrochenen Verkehr zwischen Stadt und Land, wenn auch freilich die neuere Entwicklung neue Züge auch hier herein¬ trägt. Die Berliner Sprechweise dagegen beruht von vornherein auf einer Sprachmischung aus zusammengerafften und durcheinander ge¬ rüttelten Bestandteilen, die des natürlichen Zusammenhangs entbehren. Außerdem betätigt sie ihre eigentliche Weiterbildung an den Formen der Schriftsprache, während in den alten echten Mundarten die Sprach- formen nicht nur unabhängig von der Schriftsprache dastehen, sondern in den meisten Fällen sogar das ältere und urwüchsigere darbieten. Wir haben aus diesen Feststellungen zweierlei gewonnen für den Be¬ griff der Mundart, ein äußerliches, an die Träger der Mundart an¬ knüpfendes Kennzeichen und ein innerliches entwicklungsgeschichtliches Merkmal. Die Träger der echten alten Mundart kennzeichnet das enge und dauernde Beieinanderwohnen, die Gebundenheit an die Scholle, die ihre bestimmten sprachlichen Wirkungen ausübt. Nach der entwick- lungsgeschichtlichen Seite wichtig ist die Abgrenzung der Mundart von der Schriftsprache, oder besser ausgedrückt, die Loslösung der Schrift¬ sprache von dem Untergrund der mannigfaltigen Mundarten. Auch das Wort „Schriftsprache" bezeichnet eine Vorstellung, die sich nicht ohne weiteres aus dem Wortlaut erklärt, sondern die erst einer geschichtlichen Erklärung bedarf. Das Wort gehört dem 18. Jahrhundert an, während die ältere Zeit für denselben Begriff das Wort „gemeines Deutsch" bereit hatte. Auch wir verbinden noch heute mit der Schrift¬ sprache den Begriff einer deutschen Gemeinsprache, einerlei, ob diese geschrieben, gedruckt oder gesprochen wird. Im 18. Jahrhundert nun konnte eine Gemeinsprache nur in der Schristform gesucht werden, weil