2 Das Land war wendisch geworden, ebenso die östlicheren Ge¬ biete zwischen Oder und Weichsel. Aber das westliche Wendenland war doch die Hauptsache. Hier, zwischen Oder und Elbe, standen die berühmtesten Tempel, hier wohnten die tapfersten und mächtigsten Stämme. Dieser Stämme, wenn wir von kleineren Gemeinschaften vorläufig absehen, waren drei: die Obotriten im heutigen Mecklenburg, die Liu- tizen in der Mark und Vorpommern und die Sorben oder Serben im Meißnischen und der Lausitz. Unter diesen drei Hauptstämmen der Westwenden, ja vielleicht der Wenden überhaupt, waren wiederum die Liutizen, denen also die mär¬ kischen Wenden als wesentlicher Bruchteil zugehörten, die ausgedehntesten und mächtigsten. Mit ihnen stand und fiel die Vormauer des Slawen¬ tums, und der beste, zuverlässigste und wichtigste Teil der ganzen Wendengeschichte ist die Geschichte dieses Stammes, die Geschichte der Liutizen. Schafsarik sagt von ihnen: „Unter den polabischen, d. h. den an der Elbe wohnenden Slawen waren die Liutizen oder Lutizer oder Weleten durch ihre Volksmenge und Streitbarkeit, wie durch ihre Ausdauer bei alten Sitten und Gebräuchen, die berühmtesten. Ihr Name wird in den deutschen Annalen von Karl dem Großen bis zu ihrer völligen Unterwerfung (1157) öfter denn irgendein anderer Volks- name genannt; er herrscht sogar in altdeutschen Sagen und Märchcn. In russischen Volkssagen wird er noch heutigentags vom Volke mit Schrecken erwähnt." So weit Schaffarik. Ehe wir indessen zu einer kurzgefaßten Geschichte der Liutizen überhaupt übergehen, schicke ich den Versuch einer politischen Geographie des Liutizer-Landes vorauf. Die Liutizen, wie schon angedeutet, hatten ihre Sitze nicht bloß in der Mark; einige ihrer hervorragendsten Stämme bewohnten Neu- Vorpommern, noch andere das heutige Mecklenburg-Strelitz. Sie lebten innerhalb dieser drei Landesteile: Mark, Strelitz, Vorpommern, in einer nicht genau zu bestimmenden Anzahl von Gauen, von denen folgende die wichtigsten waren oder doch die bekanntesten gewesen sind. In der Mark: die Brizaner in der Priegnitz; die Morizaner in der Gegend von Leitzkau, Grabow, Nedlitz; die Stodoraner und Heveller in Havelland und Zauche; die Spriavaner im Teltow und Nieder-Barnim, also zu beiden Seiten der Spree; die Riezaner in der Nähe von Wriezen, am Rande des Oderbruches hin; die Ukraner in der Nähe von Pasewalk.