218 IIV] Freiligrath. Geibel. Dein Leib der Seele gleich an Reinheit; heitern Blickes Siehst du die Welt noch an. 7. Wohl bist du schön! Wie treul Was gleicht den süßen Tönen Des kleinen Mundes hier? Wie lieblich dieser Thränen So schnell versiegter Guß! Dein Lächeln! O, wer kann, wie du, das Aug erheben? Die junge Seele reichst du willig dar dem Leben Und deinen Mund dem Kuß! 8. O Herr! sprich über mich und über meine Freunde Und Brüder, Ewger, sprich selbst über meine Feinde Den harten Fluch nicht aus: Durch einen Lenz, dem es an Blumen fehlt, zu gehen, Den Käfig taubenlos, schwarmlos den Stock zu sehen Und kinderlos das Haus! 2 Emanuel Geibel (1815- 1884). *201. Hoffnung. 1. Und dräut der Winter noch so sehr Mit trotzigen Gebärden, Und streut er Eis und Schnee umher, Es muß doch Frühling werden. 2. Und drängen die Nebel noch so dicht Sich vor den Blick der Sonne, Sie wecket doch mit ihrem Licht Einmal die Welt zur Wonne. 3. Blast nur, ihr Stürme, blast mit Macht! Mir soll darob nicht bangen; Auf leisen Sohlen über Nacht Kommt doch der Lenz gegangen. 4. Da wacht die Erde grünend auf, Weiß nicht, wie ihr geschehen, Und lacht in den sonnigen Himmel hinauf Und möchte vor Lust vergehen.