68 zur Unsterblichkeit reifet, und wie sie im Prunk und Tand der Erden unreif verwelket. Wäge doch, Menschheit, wäge doch den Werth des Lebens auf dem Todbette des Menschen! — Und du, der du den Armen 5. verachtest, bemitleidest und nicht kennst, sage mir, ob der also sterben kann, der unglücklich gelebt hat? Aber ich schweige, ich will euch nicht lehren, Menschen! Ich Hütte nur dies gern, daß ihr selber die Augen aufthätet, und selbst umsähet, wo Glück und Un¬ glück, Segen und Unsegen in der Welt ist. 10. Gertrud tröstete den armen Rudi, und sagte ihm noch den letzten Wunsch der edlen Mutter, den er in seinem Jammer nicht gehört hatte. Der Rudi nimnit treuherzig ihre Hand — Wie mich die liebe Mutter reuet! wie sie. so gut war! — Gertrud! gelt, du willst auch an ihre Bitte denkeil? 15. Gertrud. Ich müßte ein Herz haben wie Stein, wenn ich's vergessen könnte. Ich will an deinen Kindern thun, was ich kann. Rudi. Ach! Gott wird dir's vergelten, was du an uns thun wirst. Gertrud kehrt sich gegen das Fenster, wischt ihre Thränen vom Angesicht, hebt ihre Augen gen Himmel, seufzet, nimmt dann 20. den Rudeli und seine Geschwister, eins nach dem andern, mit warmen Thränen bei der Hand, besorgt die Todte zu Grabe, und geht erst, nachdem sie Alles, was nöthig war, gethan hatte, wieder in ihre Hütte. 34. Der Kriegs 25. In den ersten Tagen des Mai führte ein Vater seine Kinder Alwin und Theodor, in das Freie hinaus. Der Weg gieng eine lange Allee hinab, an deren Ende ein öffentlicher Garten lag. In seinen weit geöffneten Thüren sahen sie schon von fern ein buntes Gewühl von Menschen, welche aus- und eingiengen, und eine lustige, 30. aus dem Innern schallende Musik lud die Spazierenden ein, an den Vergnügungen des Gartens Theil zu nehmen. Es war ein Sonntag, und eine Menge vergnügter Menschen vergaß hier die Arbeiten und Mühen der vergangenen Tage. Viele spazierten müßig in den breiten Gängen auf und ab und genossen 35. den lauen Abend, der aus dem frischen Laube und den Blüthen der Bäume süße Düfte hervorlockte. Männer wandelten mit Weibern; und vor ihnen hüpften ihre Kinder oder tummelten sich in fröhlicher Verwirrung auf den Grasplätzen umher. Alle schienen von einem Geiste friedlicher Eintracht und ruhigen Genießens beseelt. Die 40. fröhlichen Töne, die sie umzogen, die heitern Strahlen der Abend¬ sonne und die anmuthigen Düfte, die aus tausend Blumen empor¬ stiegen , schienen alle Gemüther erheitert und in ein süßes Vergessen ihrer Sorge gewiegt zu haben. Allmählig verlor sich die größere Menge, und die laute Musik Friedrich Jacobs.