360 VII. Die neuere Dichtung bis zur Jetztzeit. O 2. Ab-n-lie-. Augen, meine lieben Fensterlein, Gebt mir schon so lange holden Schein, Lasset freundlich Bild um Bild herein: Einmal werdet ihr verdunkelt sein! Fallen einst die müden Lider zu, Löscht ihr aus, dann hat die Seele Ruh'; Tastend streift sie ab die Wanderschuh', Legt sich auch in ihre finstre Truh'. Noch zwei Fünklein sieht sie glimmend stehn, Wie zwei Sternlein, innerlich zu sehn, Bis sie schwanken und dann auch vergehn, Wie von eines Falters Flügelwehn. Doch noch wandl' ich auf dem Abendfeld, Nur dem sinkenden Gestirn gesellt. Trinkt, o Augen, was die Wimper hält, Von dem goldnen Überfluß der Welt! 3. Stille -er Nacht. Willkommen, klare Sommernacht, Die auf betauten Fluren liegt! Gegrüßt mir, goldne Sternenpracht, Die spielend sich im Weltraum wiegt! Das Urgebirge um mich her Ist schweigend, wie mein Nachtgebet; Weit hinter ihm hör' ich das Meer Im Geist, und wie die Brandung geht. Ich höre einen Flötenton, Den mir die Luft von Westen bringt, Indes herauf im Osten schon Des Tages leise Ahnung dringt. Ich sinne, wo in weiter Welt Jetzt sterben mag ein Menschenkind — Und ob vielleicht den Einzug hält Das viel ersehnte Heldenkind. Doch wie im dunklen Erdental Ein unergründlich Schweigen ruht, Ich fühle mich so leicht zumal Und wie die Welt, so still und gut. Der letzte leise Schmerz und Spott Verschwindet aus des Herzens Grund; Es ist, als tät' der alte Gott Mir endlich seinen Namen kund. 4. winternacht. Nicht ein Flügelschlag ging durch die Welt, Still und blendend lag der weiße Schnee. Nicht ein Wölklein hing am Sternenzelt, Keine Welle schlug im starren See. Aus der Tiefe stieg der Seebaum auf, Bis sein Wipfel in dem Eis gefror; An den Ästen klomm die Nix' herauf, Schaute durch das grüne Eis empor.