Lauckhard: Die Sahara. 183 plündern sie oder erpressen Durchgangszölle von ihnen. Die Dörfer sind eng zusammengebaut, so daß die Dächer auch die engen, dunklen Straßen überragen. Das Ganze ist mit einer Mauer umgeben, in welcher zum Schutz gegen Raubanfälle Türme angebracht sind. Im Winter und Frühling gewährt die Weide der Oase dem Vieh hin¬ reichende Nahrung; gegen Anfang des Sommers aber werden die Kamele mit Datteln und Wollenzeugen, welche die Frauen gewebt haben, beladen, und der ganze Stamm, Männer, Weiber und Kinder, bricht auf nach dem Markte; auch die Herden, die Hunde und die Zelte werden mit¬ genommen. Der Zug geht nach Norden, zum Atlaslande. Dort kommen sie zur Zeit der Ernte an, wenn in ihrer Heimat alles vertrocknet ist und die Quellen und Büche nur wenig Wasser haben. Hier werden alle Bedürfnisse, als Gerste, rohe Wolle, Hämmel und Butter, ein¬ gehandelt, bis dann zu Ende des Sommers diese Zugvögel vergnügt in ihre Heimat zurückkehren. Eine berühmte Nation sind die Tuariks, welche zwischen Sudan und dem Atlas die Sahel durch schwärmen, schöne, stolze Menschen, Abkömmlinge der Urbewohner des Atlaslandes. Bei weißer Hautfarbe, nur an Gesicht und Armen von der Sonne gebräunt, haben sie gebogene Nasen, große Augen, einen feinen Mund und eine hohe Stirn; sie sind behend und rasch in der Ausführung ihrer Räubereien, schießen sehr gut und bewegen sich auf ihren flüchtigen Kamelen, Meharie genannt, äußerst schnell; daher werden sie von den Weißen und Schwarzen, in deren Mitte sie wohnen, gleich sehr gefürchtet. Die Handelszüge durch die Wüste gehen ziemlich regelmäßig, und zwar in Gesellschaften von 200 bis 1000 Kaufleuten mit ihren Last¬ tieren. Die Karawane von Fezzan gilt für die am besten eingerichtete. Die Hauptrichtungen gehen von Osten nach Westen, z. B. von Marokko nach Kairo oder von den Niloasen nach Fezzan in Tripolis. Die Karawane von Fez nach Timbuktu braucht 129 Tage, unter denen 50 Rasttage sind; also vergehen für den Heimweg allein mehr als vier Monate. Große Gefahr in der Wüste bringen die Sandstürme. Es ereignet sich nämlich nicht selten, daß heftige Wirbelwinde die Sand¬ massen gleich Meereswogen in Bewegung setzen, aufwühlen und als turmhohe Sandsäulen in die Höhe wirbeln. Die Leiden der Reisenden während eines Sandsturmes sind unbeschreiblich, und der gewisse Tod steht jeden Augenblick bevor, weshalb die Araber, wenn der Sand sich zu bewegen anfängt, schnell die Zelte abbrechen. Die ganze Luft ist dann voller Staubwolken, so daß man nicht zwei Schritte weit sehen kann. Dabei steigt die Hltze zu einem erstaunlich hohen Grade. Die Pferde recken die Zungen aus dem Halse hervor und bäumen sich; die Menschen werden von dem schrecklichsten Durste gequält; nur das Kamel erträgt alle Beschwerden mit Ruhe und Geduld. Unterdessen schreiten die Sandmassen wie wandelnde Berge daher; die hoch ragenden Säulen fliegen bald mit Windesschnelle, bald schieben sie mit maje¬ stätischer Ruhe über den Boden dahin. Manchmal fürchtet man schon erreicht zu sein, schon regnet ein feiner Staub aus den Wolken nieder;