— 315 — aber ist die Atmosphäre drückend wie Blei, das Atmen beängstigend, eine heiße Luft lastet schwer über Meer und Land, kein Windhauch erregt das grüne Ge¬ fieder der schlanken Palmen, oder wenn er weht, so treibt er schläfrig eine Glut herbei, wie aus der geöffneten Türe eines geheizten Ofens. Das bedeutet das Nahen der gefürchteten Zyklone. Der bedachtsame Seemann hat unterdessen fleißig die Quecksilbersäule des Barometers beobachtet, dessen Kuppe er zuerst langsam um ein weniges auf- und niederschwanken, dann aber in kurzer Frist um 4, 5, ja selbst um 6 am herab¬ sinken sieht. Vielleicht traut er den Augen nicht ob dieser seltsamen Erscheinung, und sorglich schaut er nach, ob das Instrument etwa einen Leck bekommen, aus welchem unten das flüssige Metall entweicht. Aber nein! er sindet es im richtigen Stand: der Ausbruch des Sturmes ist also gewiß! Oben rücken luftverdünnte, wirbelnde Räume voran, und die untere, zu heiß und zu leicht gewordene Atmo¬ sphäre empfindet schon den lebhaften Zug, welcher sie dort hineintreiben wird; darum sinkt das Quecksilber im Barometer. Das nahende Meteor erweist dem verständig denkenden Menschen die zarte Rücksicht, bei ihm sich anzumelden: „Nimm dich in acht, ich komme!" Und diese Mahnung ist gut; denn nicht immer bietet der Himmel seine untrüglichen Zeichen. Auf allen im Hafen liegenden Schiffen verschwinden mit einem Male die Segel, Rahen und oberen Teile der Maste; alles Tauwerk wird verdoppelt und ebenso die Zahl der Anker. Die Alarmkanone hat auch die Fahrzeuge gemahnt, welche draußen auf der Reede liegen; für sie gibt es keinen besseren Rat, als eilige Flucht in die offene See hinaus, denn wo sie liegen, sind sie unrettbar verloren. Die erschreckten Einwohner der Stadt lassen alles im Stich und verbergen sich in die Tiefe der gewölbten Keller, in Felshöhlen, in die Winkel und Nischen massiver Mauern. Die Seevögel sammeln sich im Kreis, als wollten sie beratschlagen, was nun¬ mehr zu tun sei; dann aber erheben sie sich plötzlich in die lautlose Luft und schießen mit Windeseile davon, dem drohenden Ungetüm zu entgehen. Endlich zeigt sich droben in der unglückbringenden Himmelsgegend ein düsterer, unheim¬ licher Fleck, welcher allmählich riesige Dimensionen annimmt, das matt azurblaue Gewölbe in eine entsetzenerregende Finsternis einhüllt oder es bedeckt mit einem dichten Vorhang von blutigem, grausem Widerschein der hinter ihm zuckenden zahllosen Blitze. Das ist der Zyklon, welcher herabsteigt, um von seinem Reiche Besitz zu nehmen. Langsam einherschreitend über die Fläche des Planeten, will er mit ehernem Griffel seine Schrecken aufzeichnen auf Meer und Land bis hin nach dem fernen Europa, indem er mit rasender Schnelligkeit im Kreise wirbelnd seine schauder¬ haften Spiralen zieht. Dem angsterfüllten Schweigen der gesamten Natur folgt das unnennbare Tosen und schnaubende Wutgebrüll des Orkans. Sind die Schiffe im Hafen nicht außerordentlich gut befestigt, so platzen