— 514 — Der Junge brauchte gar nicht mehr denken zu wollen, die Gedanken arbeiteten ohne ihn, gegen seinen Willen, und führten ihn zum Entschluß. Gut, er wollte den Wurf tun. Nur den richtigen Augenblick galt es zu ergreifen, wo ein breites Eis nahe genug war, dem zu trauen war; denn so ganz ins Ungewisse konnte er den Alten doch nicht werfen. Eine plötzliche Angst und Verwirrung kam über ihn. Der Schweiß prickelte ihm unter der Kappe auf der Stirn, das Herz schlug ihm hörbar unter der zugeknöpften Jacke. Herrgott, nur keine Todsünde! Nur zu Haus der alten guten Mutter in die blauen Augen sehen können! Nur die Jriet, wenn sie in ihrem roten Nock kommt, um nach ihm zu fragen, anlachen können! Er sprach ein schnelles Gebet: „Heilige Modder Jottes — hilf mir — loß mich jood bliebe — nä, et es Onrääch — loß mich et net donn —Aber seine Augen schossen dabei unter halb herabgezogenen Lidern durch die Nacht, spähten, suchten — da kam Eis — groß war es nicht — aber es schien fest —. Er griff schnell mit den Armen unter sich, nach dem kleinen Mann — und wurde im selben Augenblick an die Beine gepackt, mit eisernen Fingern in die Kniekehlen hinein. Er griff mit den Händen in die Luft, um sich an etwas zu halten — in einer merkwürdigen Gedankenverbindung sah er plötzlich die grobe, blaue, von der Sonne beleuchtete Schürze seiner Mutter vor sich, an der er sich als Kind gehalten — er machte den Mund auf, um zu schreien — da hielt ihm was den Mund zu — Wasser- Ein Schlagen, ein Brechen von Eis, dann nur noch das große, unablässige dumpfe Hallen, Murren und Stöhnen, das sich schwer und langsam durch die schwarze Nacht schob, und mitten darin ein schwarzer Haufen auf einem riesigen weißen Teller, der eine — der Sieger — bewegungslos, den Kopf noch tiefer in die Schultern gesteckt und unaufhörlich sich im Kreise drehend. 307. Requiem. Emst Zahn. Die Hütte liegt am Vierwaldstättersee in einem jener Winkel, welche die Sonne nur am Vormittag findet, wo kein Dampfschiff hält, der Sturm den schwarzen See hinpeitscht, aus der Sturmflut des Lebens aber keine Welle an das Gestade rauscht. Die Hütte ist braungrau und hat ein Schindeldach, Schiebladen und kleine Fenster, aus denen sie auf eine grüne Ufermatte, einen Bestand flüsternder Rohre und hinaus auf den See sieht. Eine schmale Straße führt hinter dem Hause den See entlang, und ein Nauen liegt im Schilf. Straße und Nauen bringen den Liberins Infanger, den Fischer, zu den Menschen, wenn er will. Jenseits der Straße ist Wald und Berg, dann jähe, graue Wand. Wer letztere erkletterte, käme nahe an die Gipfel, in deren Hut die Hütte liegt, die den ewigen Winter haben