190 glühende Rauchsäulen auf, die in einem Blntmeere starrten. Was aber dieser großen Scene die höchste Verherrlichung gab, war der aufgehende Vollmond; hinter den sich thürmenden und glänzenden Rauchwolken stieg er herauf und schien wirklich Aurora zu sein, die den Triumphzug der vorgeeiltcn Horen über die Spitze des Berges empfing. Mit glühendem Gesicht, wie ein nektartrunkener Gott, trat er auf die ver¬ herrlichte Bühne der Nacht. Aber vom Gipfel des Berges stürzte der Gluthstrom, und bald hatte er den Fuß des Ascheukegels erreicht. Jetzt brach er in die Weingärten ein, die schon der Ernte entgegengereift waren. Weiße Flammen loder¬ ten auf, wo der Verderber die herrliche, grüne Vegetation ergriff. Oft schien er eine Allee zu fassen, deren helle Flamme sich weithin erstreckte und über dem rothen Strom als eine weite Lichtmasse schwebte. Hier theilte sich der Lavastrom in 5 Arme; 3 zogen östlich, 2 aber westlich; und diese nur konnten von uns gesehen werden. Reißend stürzte der Erguß weiter und verderbender fort; er umfloß Häuser, deren Ein¬ wohner sich kaum noch zu retten vermochten; er füllte die unteren Geschosse aus und zerstörte unzählige Landhäuser, Hütten und Weingärten. Der prächtige Verwüster ging seinen Weg, den er, wo er sich in Vertiefungen verbarg, durch Lichtsäulen entzündeter Bäume bezeichnete. Die beiden Arme des Lavastromes, von denen der eine dem anderen bald nachblieb, bald voreilte, hatten in kurzer Zeit die Straße erreicht, die durch Portici nach Dorre bei Greeo und Pompeji führt. Beide Ströme durch¬ schnitten die Straße und wälzten sich in die diesseitigen Villen und Gärten, die das Ufer des Meeres begrenzen; hier verlor der eine sich unter den Weinhügeln, der andere Strom hingegen stürzte mit ver¬ doppelter Wuth dem Meere zu. Bis dahin hatte er einen Weg von anderthalb deutschen Meilen zu machen, und schon war er dem Rande des Ufers nahe; eine Menge von Zuschauern in Gondeln schwammen in der Gegend des Ufers umher, wo die Feuercascäde am Ufer hinab¬ brausen mußte. Endlich erfolgte, was erwartet wurde: die Gluthmasse stürzte mit lautem Geprassel und Donnergetöse in's Meer; die Wellen empörten sich gegen den fremden Gast, Flaminengewühl und Wellen- getümmel im fürchterlichsten Aufruhr rasten schäumend vor Wuth durch einander. Kochende Wassersäulen und zürnende Flammenspitzen brachen aus der Fluth empor, kämpften einander nieder und wiederholten den Sturm des wildesten Aufruhrs, bis endlich der Tumult mit leiserem und leiserem Zischen endete, ilnd, gleichsam zum Denkmal des geschlos¬ senen Friedens, von der erstarrten Gluthmasse sich ein Vorgebirge bildete, das tief in's Meer hineintritt. Zweiter Brief, den 13. October 1805. Unsere Wohnung am Ufer der See wird durch die Aussicht nach dem Vesuv hin, der noch immer sein großes Feuerwerk fortsetzt, höchst anziehend. Jedes Zimmer hat seinen Balkon. Ich trete auf den mehligen hinckus, sobald die Sonne ihren ersten Strahl über den Vesuv in meine Zelle wirft, und mich umfängt von allen Seiten in ihrer ganzen Festlichkeit die Fülle einer hcsperischen Natur. Dorthin rechts nach Westen das Vorgebirge Pausilipp mit seinen Pinienkronen, Cypressen und Landhäusern; links das Vorgebirge der Minerva — welche sinnvolle Namen! Jenes die