162 mehr oder weniger geschmückten Truhen und Kisten die vielen Bedürfnisse und Kostbarkeiten trugen, welche vornehme Reisende damals mit sich zu führen pflegten. Dann wieder Krämer, fahrende Leute aller Art, Gaukler mit ihrem Apparat, Thierführer und Bänkelsänger, und dazwischen Pilger, Mönche, Kranke und Bettler, die hei dem Feste ihre Rechnung zu finden hofften. Auch ohne so ungewöhnliche Veranlassung waren die Landstrassen belebter als je. Das Mittelalter hatte nie die bürgerliche Ruhe des acht¬ zehnten Jahrhunderts gekannt; alle Geschäfte wurden persönlich betrieben und erforderten Reisen; Ritter und Geistliche, Bürger und Mönche waren beständig unterweges. Aber gerade jetzt, wo die Kreuzzüge aufgehört hatten, wo auch die deutschen Könige ihre Römerzüge nur selten und meistens nur mit geringem Gefolge antraten, nahm diese Unruhe eher zu als ab; zu den geschäftlichen Reisen, welche Handel, Lehnsdienst, geistliche Missionen, Nationalkriege oder Privatfehden erforderten, kamen die mehr willkürlich gewählten. Die Kunde von. den Kreuzzügen der Väter liess die Enkel nicht ruhen, die Wanderlust erzeugte Gelübde und nahm auch ohne solche fast den Charakter einer religiösen Pflicht an. Einzelne pilgerten noch immer nach dem gelobten Lande und hatten dann, weil sie nicht mehr in Heeres¬ massen einherzogen, um so abenteuerlichere Ereignisse; andere wallfahrteten nach Preussen oder Spanien, wo man sich noch gegen Heiden und Mauren schlug. Bei der leichten Erreichbar¬ keit dieser Schauplätze heiliger Kriege scheint es wenigstens bei den französischen Rittern Regel gewesen zu sein, dass jeder in seinem Leben eine solche „Reise“ mache; Froissard nennt es geradezu „le voyage de Prasse“, etwa wie man heute bei einem Künstler von seiner Reise nach Italien sprechen würde. Es ge¬ schieht selbst während der englischen Kriege. Wer das nicht konnte, unternahm dann eine Pilgerfahrt nach irgend einem be¬ rühmten näheren oder entfernteren Wallfahrtsorte, wo Leute der verschiedensten Stände und Zwecke in der bunten Mischung zu¬ sammentrafen, welche Chaucer so humoristisch geschildert hat. Rückte nun gar die Jubelfeier von Rom heran, die Bonifaz VIII. im Jahre 1300 eingeführt hatte und deren Wiederkehr im 1 jause dieses Jahrhunderts von 100 anfangs auf 50, dann auf 33 Jahre gesetzt wurde, so machten sich ganze Völkerschaften auf den Weg, so dass man die Pilger in Rom täglich nach Hunderttausenden rechnen konnte. Dann kamen die stürmischen Züge der Geissler oder ähnlicher, von plötzlichen Aufwallungen fortgerissener Pilger, dann wieder abenteuernde Ritter, wie Froissard sie einige Male nennt, die zur Ehre ihrer Damen in auffallender Tracht herum¬ zogen und Kämpfe herausforderten, dann Söldner, welche Dienste suchten oder nach beendetem Kriege heimkehrten. Wohl dem