339 müssen. Schnürstiefel, bloße àie, und kurze Lederhosen entsprechen der fortwährenden Anstrengung des Bergsteigens und bilden mit dem spitzen, grauen Hut, durch den Eemsbart geziert, die schöne Tracht des Tirolers, und der Italiener trägt die Manchesterjacke nicht angezogen, sondern über die Schulter gehängt, weil sein Klima das gestattet. So ist auch die Bauart durch die örtlichen Verhältnisse ganz bestimmt motiviert und durchaus verschieden. Sobald man die Alpen verläßt, tritt in Deutschland der Steinbau ein, mit Türmen, Erkern und Vorsprüngen mit den traulichen Sitzen in den in die dicken Mauern tief eingelassenen Fensternischen, den gewölbten Hausfluren, den steinernen Treppen und den oft bizarren Ausbauten, Terrassen und Valkonen. Je weiter nach Norden, je mehr schwindet die Romantik. Eine Schönheit der Gegend fordert nicht mehr dazu auf; das dringendste Bedürfnis, Schutz gegen das rauhe Klima, tritt in den Vordergrund, und der traurige Ziegel gestattet nicht mehr die Ornamentik des Steinbaues. Alles ist aufs Notwendigste beschränkt, und es entsteht das leidige Viereck, welches bei möglichst geringem Zeitaufwand den meisten Raum schafft, das Dach wird hoch und spitz, um die Schneelast abzuhalten, endlich tritt das Stroh an die Stelle des Steines, und das Vieh flüchtet sich unter das Dach der Menschen. Am Rhein bildet das Siebengebirge einen recht sichtbaren Abschnitt zwischen dem frän¬ kischen und dem sächsischen Baustil. Welcher Unterschied zwischen Koblenz und Köln! Doch ich bin ja in Gastein. Hier erheben sich nun die steinernen Paläste dicht um den Wasserfall herum und haben die hölzernen fast verdrängt, denn hier ist der Lurus der Hauptstädte in die Einsamkeit des Hochgebirges verpflanzt. Das Ganze bildet ein sehr hübsches Bild. Die stattlichen, weiß getünchten Häuser, die mit Schwarztannen bestandenen Felshänge, das Lichtgrün der Wiesen und der silberweiße, schäumende Fluß bieten den malerischesten Anblick. Aus meinem Fenster überblicke ich den größten Teil der unteren Talstufe. Zu beiden Seiten die 7000 Fuß hohen Gebirgs- wände, unten meist mit dunkelem Tannenwald beseht, darüber die hellgrünen Matten mit einzelnen Almhütten, darüber die kahlen Gipfel. Die vier Stunden lange, eine halbe Stunde breite Talsohle ist ganz mit den prachtvollsten Wiesen, einigen Gehöften und zahl¬ losen Heuschuppen ausgefüllt. In der Entfernung von einer Meile 22*