Lebensbilder. 121 Daß ich jetzt minder hinkte,frischer ging, Daß ichdic Luft so leicht zu atmen schien Wie morgens kaum; auch weiß ich uicht, warum Die Rast mir in der Herberg' gar so süß, Der Schlaf so voll von schönen Träu¬ men war, Wie ich sie lange nicht genoß. Doch klar Steht eins vor mir: Wenn auf der Waud'rung mir Ein Gleiches einst begegnet, wieder daun, So müd' auch und erschöpft ich möchte sein, Geh' ich zurück und lese Scherben auf, Dran sich verletzen kann ein nackter Fuß. Ebert. 14. Der Löwe zu Florenz. „Der Löw' ist los! Der Löw' ist frei! Die ehernen Bande riß er entzwei! Zurück, daß ihr den vergeblichen Mut Nicht schrecklich büßt im eigenen Blut!" Und jeder suchte mit scheuer Eil' Im Innern des Hauses Schutz und Heil; Auf Markt und Straßen rund umher Ward's plötzlich still und menschenleer. Ein Kindlein nur, sein unbewußt, Verloren in des Spieles Lust, Fern von der sorglichen Mutter Hand, Saß auf dem Markt amBrunnenrand. Wohl viele sah'n von oben herab, Sie schauten geöffnet des Kiudleins Grab; Sie rangen dieHände unb weinten sehr Und blickten um Hilfe zagend umher. Doch keiner wagt, das eigene Leben Um des fremden willen dahinzugeben; Denn schon verkündet ein nahesGcbrüll Das Verderben, das jeglicher meiden will. Und schon mitder rollenden Augen Glut Exlechzt der Löwe des Kindleins Blut; Ja, schon erhebt er die grimmigen Klan'n; O qualvoll, herzzerreißend zu schau'n! So rettet denn nichts das zarte Leben, DcmgräßlichenTodedahiugegcben?— Da plötzlich stürzt aus einem Haus Mit fliegendeuHaaren einWeib heraus. Um Gottes willen, o Weib, halt ein! Willst du dich selbst dem Verderben weih'«? Unglückliche Mutter! Zurück den Schritt! Du kannst nicht retten, bu stirbst nur mit! Doch furchtlos fällt sie den Löwen an, Und aus dem Rachen mit scharfem Zahn Nimmt sic das unversehrte Kind In ihren rettenden Arm geschwind. Der Löwe stutzet, und unverwcilt Mit demKiudedicMutter von dannen eilt. Da erkannte gerührt so jung wie alt Des Mutterherzens Allgewalt Und des Leuen großmütigen Sinn zugleich; Doch manche Mutter, von Schrecken bleich, Sprach still: „Um des eigenen Kindes Leben Hätt' ich mich auch dahingcgebeu." Aug. Ferd. Bernhardt. 15. Der Reisende. Ein Wandrer bat den Gott der Götter, Den Zeus, bei ungestümem Wetter Um stille Luft und Sonnenschein. Umsonst, Zeus läßt sich nicht bewegen; Der Himmel stürmt mit Wind und Regen; Denn stürmisch sollt' es heute sein. Der Wandrer setzt mit bittrer Klage, Daß Zeus mitFleiß dieMenschen Plage, Die saure Reise mühsam fort.