Aus Sage und Geschichte. 209 22. Gotentreue. 1. Erschlagen lag mit seinem Heer Der König der Goten Theodemer. 2. Die Hunnen jauchzten auf blut'ger Wal, Die Geier stießen herab zu Tal. 3. Der Mond schien hell, der Wind pfiff kalt, Die Wölfe heulten im Föhrenwald. 4. Drei Männer ritten durchs Heidegefild, Den Helm zerschroten, zerhackt den Schild. 5. Der erste über dem Sattel quer Trug seines Königs zerbrochnen Speer. 6. Der zweite des Königs Kronhelm trug, Den mitten durch ein Schlachtbeil schlug. 7. Der dritte barg mit treuem Arm Ein verhüllt Geheimnis im Mantel warm. 8. So kamen sie an die Donau tief Und der erste hielt mit dem Roß und rief: 9. „Ein zerhauner Helm, ein zerspellterSpeer, Vom Reiche der Goten blieb nicht mehr!" 10. Und der zweite sprach: „In dieWellen dort Versenkt den traurigen Gotenhort! 11. Dann springen wir nach von dem Ufer¬ rand — Was säumest du, Vater Hildebrand?" 12. „Und tragt ihrdesKönigsKron' und Speer, Ihr treuen Gesellen, ich habe mehr." 13. Auf schlug er seinen Mantel weich: „Hier trag' ich der Goten Hort und Reich. 14. Und habt ihr gerettet Speer und Krön', Ich habe gerettet des Königs Sohn. 15. Erwache, mein Knabe, ich grüße dich, Du König der Goten, Jungdieterich!" Felix Dahn, Gedichte, zweite Samm¬ lung, 3. Ausl. Leipzig 1883, S-163f. — Komponiert von Robert Schwalm. 23. Dietrich von Berne. 1. „Nun höre mich, Vater, nun höre mein Wort, Nun hole mich heim zu dir! Bin satt des Lebens und will nun fort. Was soll der Alternde hier? Mein dunkler Vater, nun höre geschwind! Dich ruft dein gewaltiges Heldenkind, Der alte Dietrich von Berne. Zettel-Nicklas-Knoll, Teutsches Lesebuch IV. 2. Bin wert, o Vater, ich bin dein wert, Genug nun hab' ich geschafft; Es hat zum Tode mein Heunenschwert Genug der Helden gerafft. Mich scheuet der Tod, seit ich Hagnen schlug, Du hole mich nun, das ist Ehre genug Dem alten Dietrich von Berne! 3. Nicht blieb zu bekämpfen ein Feind zurück, Zu Bern steht fest mein Palast; Die Ruhe, des weichen Alters Glück, Ist meinem Marke verhaßt. Wohl jag' ich den Ur in dem finstern Wald, Doch ist's zu gering mir, drum hole mich bald, Den alten Dietrich von Berne!" 4. So rief der König, er stand im Forst; Das hörte der Vater bald. Auf lauschte der Held, das Gezweige borst, Ein Hirsch brach her aus dem Wald. Wohl griff Herr Dietrich zum Weidgeschoß, Doch hatt' er zur Stelle kein schnelles Roß, Der alte Dietrich von Berne. 5. Und wie er sich umsah unmutsvoll, Da stand ein mächtiges Roß, Des ungeduldiger Hufschlag scholl Und Schaum vom Gebiß ihm floß; War schwarz und glänzend. Da schwang er sich auf Und spornt' es zum Jagen im schnellsten Lauf, Der alte Dietrich von Berne. 6. Da schnaubet das Roß, daß Feuer und Rauch Den offenen Nüstern entloht, Und stürmet dahin wie ein Wüstenhauch, Dem folget der schwarze Tod. Da hebt sich jauchzend die Heldenbrust, Da fühlt sich jung wie in Schlachtenluft Der alte Dietrich von Berne. ° 7. Doch jäher und jäher nun wird der Ritt, Vorbei jagt Felsen und Baum. Wie könnten die Diener, die Rüden mit? Nichts fruchtet der straffe Zaum. Esstürmet, das ist nicht Galopp noch Trab, Ist Windsbrautsausen; nicht kann er herab, Der alte Dietrich von Berne. 8. Ihm schließt. sich das Aug' und es starret das Blut, Doch als er, betäubt noch, erwacht,