142 C. Darstellungen aus der Natur. Einbruch der Winlerkälte wächst ihm das Haar am ganzen Leibe zu einer Art dünnen Pelzes. Zn eben jener Weltgegend lebten auch die ursprünglichsten Reiter¬ völker, von denen wir Kunde haben, im Osten die Mongolen, im Westen die Türken, beide Namen im weitesten Sinne genommen. Noch jetzt ist die Existenz dieser Rassen an die des Pferdes gebunden. Der Mongole hält es für eine Schande, zu Fuß zu gehen, sitzt stets zu Rosse und bewegt sich und steht auf der Erde, als wäre er in ein fremdes Element versetzt. Ehe der kleine Knabe noch gehen kann, wird er auf das Pferd gehoben und klammert sich an die Mähne; so wächst er im Verlauf der Zahre auf dem Rücken des Tieres auf und wird zuletzt ganz eins mit diesem. Auch der mongolischen Körperbildung hat diese Lebensart, von Geschlecht zu Geschlecht Jahrtausende lang fortgesetzt, ihr unterscheidendes Gepräge gegeben. Die Beine des Mon¬ golen sind säbelförmig gebogen, der Gang ist schwerfällig und der Ober¬ körper nach vorn gebeugt; auch innerhalb des Zeltes gleicht sein unstät umherspähender Blick dem des Reiters in der unermeßlichen Steppe, der, nach allen Seiten ausschauend, eine Meile weit die kleinste Staub¬ wolke am Horizonte entdeckt. Der Reichtum des einzelnen besteht in der Zahl und Größe seiner in halbwildem Zustand weidenden Pferde; bedarf er in gegebenem Falle eines jungen Tieres, so wird dieses mit der Schlinge eingefangen. Die Milch der Stuten ist das Getränk und das Berauschungsmittel (es gehört viel Übung und Kraft dazu, die Stuten, nachdem sie gekoppelt worden, zu melken), das Pferdefleisch die gewohnte und liebste Nahrung. Bei den jetzigen Mongolen hat freilich der Buddhismus die letztere Speise auszurotten gesucht, und der Lama wenigstens hütet sich in frommer Enthaltsamkeit, davon zu kosten. Auch das Fell und das Haar des Pferdes ist dem Mongolen nutzbar: aus dem erstern werden die Riemen geschnitten, die ihm so unentbehrlich sind, das letztere dient zu Stricken und Sieben, und aus dem Felle der jungen Füllen werden die Kleider zusammengenäht. Von dem breiten Rücken des Weltteils stieg das Tier nach allen Seiten bis in die Hochgebirge des nördlichen Indien hinauf und in die Flußthäler T u r k e st a n s, in die Landschaften und Wüsten des Z a x a r t e s und Oxus hinab. Dort ist das Pferd des Turkmenen noch jetzt von ungemeiner Kraft, Ausdauer und Klugheit. Mit geringem Mund¬ vorrat versehen, macht der Turkmene Ritte von hundert Kilometern, ohne zu rasten, überfällt und plündert und verschwindet ehe der Beraubte noch zur Besinnung gekommen. Ost übernachter ver Reiter schlafend auf seinem Tiere, mitten in der Wüste, ohne diesem einen Tropfen Wasser bieten zu können. Auch liebt er sein Roß mehr als Weib und Kind, mehr als sich selbst; es ist rührend, mit welcher Sorgfalt dieser rohe, habgierige Sohn der Wüste sein Tier aufzieht, wie er es hütet, gegen Frost und Hitze kleidet und mit Zaum und Sattelzeug nach Kräften Aufwand treibt. Auch in den Augen des Kirgisen ist das Pferd der Inbegriff aller Schönheit. Er liebt sein Pferd mehr als seine Geliebte, und schöne Pferde verleiten auch den ehrlichsten und angesehensten Mann zum Diebstahl.