104 III. Geschichtliche Darstellungen und Lebensbilder. aller Freiheit und Recht, so er hatte, seit er aus der Taufe gezogen ward, in Königsbann und Wette (d. h. Buße), in den höchsten Anfrieden, und wies ihn forthin von den vier Elementen, die Gott den Menschen zum Trost gegeben und gemacht hat, und wies ihn forthin achtlos, rechtlos, friedlos, ehrlos, sicherlos, missetätig, fempflichtig, leiblos, als man mit einem verfemten, verführten und verweifeten Manne tut, und er soll nun forthin unwürdig gehalten werden, und er soll nun forthin keines Gerichts und Rechts genießen noch gebrauchen noch besitzen, und er soll keine Freiheit noch Geleit ferner haben noch gebrauchen in keinen Schlössern noch Städten, außer an geweiheten Stätten, und er ver- maledeiete sein Fleisch und Blut, auf daß es nimmer zur Erde bestattet werde, der Wind ihn verwehe, die Krähen, Raben und Tiere in der Luft ihn verführen und verzehren, und er wies und teilte zu den Krähen und Raben und Vögeln und andern Tieren sein Fleisch, sein Blut und Gebein, die Seele aber unserem lieben Äerrgott, wenn sie derselbe zu sich nehmen will". So die Verfemung. War ße ausgerufen und stand der Name des Verfemten in dem Blutbuch, so mußte jeder Frei¬ schöffe ihn fassen und am nächsten Baume aushängen, wo er ihn fand, und neben den Gerichteten ein Messer stecken zum Wahrzeichen der heimlichen Acht. Außerdem galt — nach dem uralten sächsischen Volks¬ recht — der Satz, daß ein Verbrecher sofort bestraft werden durste, wenn er „bei Handhafter Tat" ergriffen wurde; das war der Fall, wenn er auf der Tat selbst („hebende Land") oder unter klar seine Täterschaft erweisenden Amständen („blickender Schein") betroffen worden war, oder wenn er seine Schuld unumwunden eingestand („gichtiger Mund"). Waren in solchem Falle drei Schöffen zugegen, so konnten sie den Verbrecher ohne weiteres Verfahren ergreifen und aushängen. — Ein furchtbar, gewaltig Gericht, vor dem nicht Rang noch Stand den Schuldigen schützte! Daß aber niemand sich der Vollstreckung dieser Acht entziehen konnte, dafür bürgte eben die Heimlichkeit dieses Verfahrens, die den Schuldigen, wenn er dem Gerichte auf seine Ladung sich nicht stellte, urplötzlich wie mit unsichtbarer Land traf. Durch schwere Eide waren die Femgenoffen verpflichtet, das Geheimnis der Feme zu bewahren, vor allem den Schuldigen nicht zu warnen noch entrinnen zu lassen; wer aber dennoch das Geheimnis verriet, den gebot das Femgesetz höher auszuhängen als einen miffetätigen Dieb. Bis in die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts waren die Fem¬ gerichte nicht über die Grenzen Westfalens hinausgedrungen. Dann aber, als im übrigen Reiche wegen der Ohnmacht der kaiserlichen Ge-