228 9. Sein Lied ertönte schöner und lauter immerdar. Daß Hagen selbst es hörte, der bei Frau Hilde war; Aus der Kemenate lockte sie zur Zinne Des Gastes Wunderweise, auch Gudrun ward des holden Sanges innc. 10. Des wilden Hagen Tochter und ihrer Mägde Schar Saßen da und lauschten, wie bei dem Lied sogar Die Vöglein in dem Hofe vergaßen ihren Sang. Auch die Helden hörten, wie glockenhell des Dänen Lied erklang. 11. Da dankten ihm die Frauen und Männer insgemein. Frute aber sagte: „Mein Neffe lasse sein Die ungefügen Töne, die ich ihn höre singen; Wem mag er wohl ein Ständchen mit dieser üblen Tageweise bringen?" 12. Da sprachen Hägens Helden: „Herr, wir thun Euch kund, So krank auch einer wäre, er würde bald gesund, Wenn man dieses Singen ihm anzuhören gönnte." — [sonnte!“ „Wollte Gott im Himmel," sprach Hagen, „daß ich selbst so gut es 13. Als er schon das dritte Lied zu Ende sang, Allen, die cs hörten, währt' cs nicht zu lang; Ich glaub fürwahr, sie hättens nur spannenlang gesunden, Hätt er so lang gesungen, bis einer reiten könnte tausend Stunden. 14. Das Wild im grünen Walde ließ seine Weide stehn; Die Schlangen, die da sollten in dem Grase gehn, Die Fische, die da sollten schwimmen in den Wogen, Verließen ihre Fährte, vom süßen Klange Horands angezogen. 15. Da ließ ihn zu sich führen die Königstochter fein Ohn ihres Vaters Wissen, gar heimlich sollt es sein, Vis er seine Weisen ihr alle vorgesungen. Es war sonst niemand weiter bei ihr als er samt Morung dem Jungen. 16. Sie hieß ihn niedersitzen: „Nun stimmt noch einmal an Eure besten Lieder!" sprach Hilde zu dem Mann. Mich lüstet sie zu hören; Eures Mundes Töne Sind mir eine Freude weit über alles Herrliche und Schöne." 17. Da sprach er: „Dürft ich singen, schönes Jungfräulein, Daß Euer Vater Hagen nicht zornig wollte sein Und mir das Leben nehmen, so wollt ich nicht verschmähen Euch williglich zu dienen, wenn wir nur Euch bei unserm Herren sähen." 18. Sie sprach: „Wen nennst du Herren, und wie ist er genannt? Trägt er eine Krone und hat sein eignes Land? Dir zu Liebe bin ich ihm hold, ich wills gestehen." Da sprach der kühne Däne: „Reichern König hab ich nie gesehen." 19. „Verrät uns niemand," sprach er, „schönes Jungfräulein, So geb ich gern dir Kunde, wie mich der Herre mein