222 born römischen Volke unterworfen würden. Ja, es ist so: vielen erhält daS Geschick ihr Leben, nur, um sie zu strafen." Nach diesem Ausrufe geht Plinius zu folgender Schilderung des deut¬ schen Urwaldes über, deren erste Hälfte aber ausdrücklich nur die dem Chauken- land benachbarten Teile Norddeutschlands ins Auge fasst und nur auf diese paßt: „Eine andere wunderbare Erscheinung bieten die Urwälder, welche ganz Germanien bedecken und bei der ohnehin herrschenden Kälte auch noch Schatten werfen. Gar nicht weit oberhalb der eben erwähnten Chauken gibt es schon die höchste Waldung, besonders in der Nähe zweier Seen (womit nur sumpf- oder seeartig erweiterte Flußftellen gemeint sein können). An den Ufern wachsen riesige Eichen. Wenn diese nun vom Wasser unterwühlt oder durch Stürme los¬ gerissen werden, führen ihre weitverzweigten Wurzeln große Stücke des Bodens mit sich fort. Und so treiben sie aufrechtstehend auf dem Meere dahin und fetzen mit ihrem ungeheuren Geäst, welches sich wie Masten und Takelwerk aus- nimmt, oft unsere Flotten in Schrecken. Denn bisweilen werden sie bei Nacht, scheinbar absichtlich, von den Wellen gegen unsere Schiffe getrieben, welche dann in Ermanglung anderer Hülfsmittel den Bäumen eine Art Seegefecht liefern müssen. In demselben nördlichen Teile Germaniens beginnt auch der weite her- kynische Eichenwald. So alt wie die Welt, von keiner Menschenhand berührt, ist er durch seine schier ewige Dauer eines der größten Wunder. Um Unver- bürgtes zu übergehen, ausgemacht ist es, daß die Wurzeln, wo sie aufeinander¬ treffen, förmliche Hügel auftreiben oder, wo der Boden dem Drucke nicht nach¬ gibt, sich bogenförmig zu hohen Toren wölben, die bis zu den wirr durchein¬ ander geschlungenen Ästen hinaufreichen und oft so weit sind, daß ein Reiter darunter wegreiten kann." So weit Plinius. Seine Schilderung sowohl der flachen Nordseegegend als des angrenzenden Urwaldes ist ohne Zweifel getreu und vielleicht nur etwas übertrieben. Aber so schaurig und wild sah es doch nicht überall aus. Der Rhein, die Donau, der Main, die Weser, die Elbe und all die andern schönen Flüsse unseres Vaterlandes wälzten reichlicher und klarer als heute ihre grünlichen Wogen dem Meere zu; all die zahllosen Bäche und Quellen plätscherten wie heutzutage, nur ungetrübt und ungehindert, durch Wald und ' Weiden. Der liebliche, maßvolle Wechsel zwischen Tal und Hügel, zwischen Bergland und Ebenen, der den mitteldeutschen Landschaften so hohen Reiz verleiht, bestand damals wie jetzt. Die weitausgedehnten Wälder vermehrten zwar die Menge der Niederschläge: Schnee, Regen und Nebel, erhöhten aber keineswegs die Kälte, sondern gewährten im Sommer wohltätigen Schatten und hemmten im Winter die Wut der Stürme. Der Nordwesten war freilich reich an häßlichen Sümpfen, die auch in anderen Gegenden nicht gefehlt haben werden, indes außer dem feuchten, finstern Urwald und garstigem Sumpfland gab es auch trockene Wälder von Nadelholz, herrlich duftend, mit schlank auf¬ strebenden Bäumen und weichem Moosgrund, auch schöne Wiesen mit ihrem