30. Der überfall bei Hochkirch. 225 es ebenso krank, so möchte ich auch nicht fortkommen können.“ König: So muß Er fahren.“ Gellert: „Dazu fehlt mir das Vermögen.“ König: „Ja, das ist wahr, daran fehlt's immer den Gelehrten in Deutschland. Es sind wohl jetzt böse Zeiten?“ Gellert; „Ja wohl, und wenn Ihro Majestät Deutschland den Frieden geben wollten“ — König: „Kann ich denn? Hat Ers denn nicht gehört? Es sind ja drei wider mich.“ Gellert: „Ich bekümmere mich mehr um die alte, als neue Geschichte.“ König: Kann Er keine von Seinen Fabeln aus— wendig? Gellert: „Ich zweifle. Mein Gedächtnis ist mir sehr untreu.“ König: „‚Besinne Er Sich; ich will unterdessen herumgehen. — — nun, hat Er eine?“ Gellert: „Ja, Ihro Majestät, den Maler — Ein kluger Maler in Athen, Gleich trat ein junger Geck herein der minder, weil man ihn bezahlte, und nahm das Bild in Augenschein. als weil er Ehre suchte, malte, O! rief er bei dem ersten Blicke: ließ einen Kenner einst den Mars im Ihr Götter, welch ein Meisterstücke! Bilde sehn Ach welcher Fuß! O wie geschickt und bat sich seine Meinung aus. sind nicht die Nägel ausgedrückt! Der Kenner sagt ihm frei heraus, Mars lebt durchaus in diesem Bilde. daß ihm das Bild nicht ganz gefallen Wie viele Kunst, wie viele Pracht wollte, ist in dem Helm und in dem Schilde und daß es, um recht schön zu sein, und in der Rüstung angebracht! weit minder Kunst verraten sollte. Der Maler war beschämt, gerühret Der Maler wandte vieles ein; und sah den Kenner kläglich an. der Kenner stritt mit ihm aus Nun, sprach er, bin ich überführet, Gründen Ihr habt mir nicht zu viel gethan. und konnt' ihn doch nicht über- Der junge Geck war kaum hinaus, winden. so strich er seinen Kriegsgott aus.“ König: „Und die Moral?“ Gellert: Gleich, Ihro Majestäüt — Wenn deine Schrift dem Kenner nicht gefällt, so ist es schon ein böses Zeichen; doch wenn sie erst des Narren Lob erhält, so ist es Zeit, sie auszustreichen.“ Lönig: „Das ist recht schön. Er hat so etwas kulantes in Seinen Versen, das verstehe ich alles. Nun, wenn ich hierbleibe, so muß Er öfter wiederkommen und Seine Fabeln mitbringen und mir was neues vorlesen. Gellert: Ich weiß nicht, ob ich gut lese; ich habe so einen singenden, gebirgischen Ton.“ König: „Ja, wie die Schlesier. Vein, Er muß Seine Fabeln selbst lesen; sie verlieren sonst viel. Nun, komme ẽr bald wieder!“ Dies das Gespräch Gellerts mit Friedrich dem Großen. Wir haben in diesem Gespräche Bescheidenheit, gepaart mit Würde, Klugheit, verbunden mit edler Offenherzigkeit, zu bewundern. vernaleken. 30. Der Überfall bei Hochkirch. Im Jahre 1758 waren die Russen durch Preußen und Pommern bis Küstrin an der Oder vorgedrungen. Dort traf sie Friedrich und Deutsches Lesebuch für kath. Schulen. IV. Für Oberklassen. 9 15