13. Die Schiffswerften in Amsterdam. 9 13. Die Schiffswerften in Amsterdam. Amsterdam, Hollands Hauptstadt, ist einer der berühmtesten Handelsplätze Europas. Der Boden, auf welchem die Stadt erbaut ist, besteht aus Torfmoor. Daher hat man ungeheure Pfähle ein— rammen müssen, um den Häusern einen festen Grund zu bereiten. Die Amstel, welche Amsterdam durchfließt, ist des Warentransports wegen in eine Menge Kanäle geteilt, die an hundert Inseln bilden, welche durch viele steinerne und hölzerne Brücken mit einander verbunden sind. In der Mitte dieser Brücken hat man Fallthüren angebracht, welche man aufzieht, wenn Schiffe mit ihren Masten durchfahren wollen. In einer Seestadt zieht es den Fremden ans Meer. Im Hafen von Amsterdam herrscht eine ungeheure Thätigkeit. Mit Staunen be— trachtet man die gewaltigen Ost- und Westindienfahrer, die da vor Anker liegen oder gehen und kommen. Aber ebenso lebhaft ist es auch auf den Werften, die in seiner Nähe eine kleine Stadt zu bilden scheinen. Da zeigen sich die riesenhaften Gerippe der im Bau be— griffenen Schiffe, an denen die Menschen gleich Zwergen herumklettern, um sie Stück für Stück gleichsam mit Muskeln und Haut zu bekleiden. Gleich zerstreuten Riesengliedern liegen Tausende von Masten und un— geheuren Balken umher, dort Haufen von dicken Bohlen, von Werg und schwertähnlichen Nägeln, hier zwei bis vier Meter lange Anker und Taue von Leibesdicke Mächtige Pechkessel sieden über knisterndem Feuer und schwärzen alles umher mit ihrem dicken, schmutzigen Qualme. Das Dröhnen ungeheurer Hämmer und das Knarren der Winden vermischt sich mit dem einförmigen Zählen und Zurufen beim Heben und Fort— schaffen der Lasten. Man erstaunt über die Einfachheit der mechanischen Hilfsmittel, womit diese Riesenbaue nach Belieben gehoben und wieder gesenkt, auf die Seite gelegt oder vorwärts bewegt werden. Aber auch was die bloße Kraft nerviger Arme und Ruderer vermag, kann man mit Bewunderung an den stämmigen Arbeitern wahrnehmen. Eins der großartigsten Schauspiele ist es, ein Seeschiff vom Stapel laufen zu sehen. Eine dichte Menschenmasse bedeckt dann das Ufer und kann den Augenblick kaum erwarten, bis die Unterlagen, auf denen das Schiff ruht, hinweg gezogen werden. Indem dies geschieht, senkt sich das Schiff auf die Rollen oder Walzen. Jetzt wird auch das Tau gekappt, und nun setzt sich der riesen— hafte Bau erst langsam und gemächlich, dann immer schneller und schneller auf seinen Rollen in Bewegung, bis er endlich unter dem Gezische der Wogen ins Meer hinein rauscht. Erst taucht der Schnabel, daun wieder das Hinterteil tief ins Wasser, und nur nach und nach wird das Gleichgewicht hergestellt Hoch laufen die Wellen am Ufer empor, die umherliegenden Schiffe schwanken, und ein tausendstimmiges Zujauchzen begrüßt das gelungene Werk. c. M. Arndt