390 VIII. Lieder aus dem allgemeinen Menschenleben und aus der Natur. 200. Vom Pythagoreischen Lehrsatz. Von Adelbert von Chamisso. Die Wahrheit, sie besteht in Ewigkeit, lvenn erst die blöde Welt ihr Licht erkannt; der Lehrsatz, nach Pythagoras benannt, gilt heute, wie er galt zu seiner Zeit. 5 Ein Opfer hat Pythagoras geweiht den Göttern, die den Lichtstrahl ihm gesandt; es taten kund, geschlachtet und verbrannt, einhundert Ochsen seine Dankbarkeit. Die Ochsen seit dem Tage, wenn sie wittern, 10 daß eine neue Wahrheit sich enthülle, erheben ein unmenschliches Gebrülle; Pythagoras erfüllt sie mit Entsetzen; und machtlos sich dem Licht zu widersetzen verschließen sie die Augen und erzittern. 201. Morgenwanderung. Von Emanuel Geibel. 1. Wer recht in Freuden wandern will, der geh' der Sonn' entgegen; da ist der Wald so kirchenstill, kein Lüftchen mag sich regen; noch sind nicht die Lerchen wach, nur im hohen Gras der Bach . singt leise den Morgensegen. 2. Die ganze Welt ist wie ein Buch, darin uns ausgeschrieben in bunten Zeilen manch ein Spruch, wie Gott uns treu geblieben; Wald und Blumen nah und fern und der Helle Morgenstern sind Zeugen von seinem Lieben. 3. Da zieht die Andacht wie ein Lauch durch alle Sinnen leise, da pocht ans Lerz die Liebe auch in ihrer stillen Weise,