105 des Kontrastes zustatten. Mit gutem Grund bildete die Kunst der Alten die Gestalt der Pallas, wie der Themis weiblich. Aber zu diesem Kreise gehört die Königin Luise nicht. Sie lebt nicht aus dem Grunde in der Erinnerung fort, wie es die Königin Elisabeth von England that und noch thut; sie gehört nicht in eine Reihe mit Maria Theresia und Katharina der Zweiten. Sie hat es selbst von sich gesagt, daß die Ge¬ schichte sie nicht zu den großen Frauen rechnen werde; und es ist dies vollkommen richtig. Sie hat nicht mit unter denen gesessen, die über die Geschicke der Völker berieten; sie hat so wenig in Politik gemacht, wie sie Gedichte hinterlassen oder Bilder gemacht hat. Das einzige Mal, wo sie in die geschichtliche Entwicklung handelnd eingetreten ist, ist sie den Weg gegangen, den die Staatsmänner vorschrieben; und es war der schwerste Weg ihres Lebens. Die Genialität der Gemeinheit, wie sie in dem ersten Napoleon sich verkörpert hatte, offenbarte sich bekanntlich in dem instinktiven Haß, durch welchen er diese deutsche Frau in seiner Weise auszeichnete; der scharfe und sichere Blick, mit dem er die wahren Wider¬ sacher erkannte, ist in seiner Art ebenso bewunderungswürdig, wie noch von der dritten Generation die Brutalität nicht vergessen ist, welche es nicht verschmähte, diese Frau, die zu besiegen er nicht vermochte, wenigstens zum Erröten und zu Thränen der Scham zu zwingen. Von ihr wurde es gefordert, daß sie jenen Mann, den Besieger ihres Volkes, den Lästerer ihrer Ehre durch den Zauber ihrer Persönlichkeit bezwinge und ihm einige Milderung gegen das damals wehrlos- ihm preisgegebene Preußen abge¬ winne. Die Urheberschaft dieses entehrenden Attentats auf Männerehre und Franenreinheit gebührt allerdings dem verschwommenen und im innersten Grunde seines Wesens treulosen russischen Bundesgenossen; aber auch so bleibt dieser Vorgang der schimpflichste Fleck jener an Flecken unserer Ehre nur allzu reichen Zeit. Sie aber ging, wie man sie hieß; und auch hier wirkte der Zauber, wenn er gleich selbstverständlich nicht half. Sie hielt es für Pflicht der Königin, auch das zu opfern, was die Frau nicht opfern kann und darf; und mit diesem vergeblichen Versuche steht sie in der Geschichte jener Jahre verzeichnet. Sie hat nicht mit regiert. Nicht ihre Thaten haben ihr Gedächtnis in das Herz des Volkes gestiftet, sondern ihr Wesen und Sein, und man kann hinzufügen, ihr Lieben und Leiden. Ist denn Frauenlos und Frauenglück, unter die Gewaltigen der Geschichte zu zählen und Herrscherkunst und Herrscherleidenschaft im Kopf und im Herzen zu tragen? Königin Luise hätte wohl, wenn das Geschick es von ihr gefordert haben sollte, aus der Pflicht auch die Kraft und den Geist entwickelt, die diese Stellung erheischen; aber sie ist nicht dazu berufen worden, und sie hat sich immer glücklich gepriesen, vor allem Frau sein zu dürfen, auch als sie Königin war. Sie war eben, wie andere Frauen auch, nichts Besonderes und abnorm Geniales, aber die vollendete Weiblichkeit mit all ihrer Schönheit und Reinheit, in aller ihrer Anmut und Würde, in aller ihrer Heiterkeit und Hoffnungskraft; eine von vielen und doch die eine unter allen. Als sie siebzehnjährig ans bescheidenen Verhältnissen eintrat in den ihr völlig fremden Kreis des großen, glänzenden Hofes, der in der geistigen Verkümmerung des Deutschsranzvsentnms, in