124 Wie glücklich lebten Balder und Nanna! Noch glücklicher wurden sie, als Forsati, ein Sohn, ihnen geschenkt wurde. Wäre längere Dauer ihrem Glücke beschieden gewesen! Als aber das Kind kaum der Mutter¬ pflege entwachsen war, da stieg der traurige Tag auf, den Loki sich erwählte. Keiner der Götter war dem bösen Loki in seinem Herzen so verhaßt, wie Balder, der gute, den alle liebten. 2. Es war tief in der Nacht, als Balder einst über unruhigen Träumen erwachte. Er besann sich, und da er inne wurde, daß er geträumt habe, beschwichtigte er sein Gemüt und dachte, weiter zu schlafen. Aber ver¬ geblich. Es litt ihn nicht auf dem Lager. Als die andern Äsen ihn so sahen, wurden sie ängstlich und fragten nach der Ursache. Balder aber erzählte, daß er im Traume sich sterben gefühlt habe. Da kam ein großer Schreck über sie alle. Und weil sie Gewißheit wünschten, sandten sie Boten zu den traumdeutenden Wesen. Es währte nicht lange, da kehrten sie mit der Meldung zurück, der Traum künde an, daß Balder dem Tode verfallen sei. „Dem Tode verfallen!" riefen alle, „Balder, der so schön ist, daß niemand einen Fehl an ihm findet! des Augenbrauen so licht sind, daß sie der lichtesten aller Blumen gleichen! von dem es glänzt und strahlt, daß ringsum nirgend Dunkles aufkommt! des Worte so voll Milde und Weisheit erklingen, daß keiner etwas daran ändern mag!" Und alle Äsen traten zusammen und besprachen, was sie tun sollten, um das Verhängnis abzuwenden. Sie beschlossen, alle Wesen zu be¬ schicken und sich Eide geben zu lassen, daß sie Balder nicht schaden wollten. Frigg selbst, die Mutter der Götter, machte sich auf. Sie trat vor alle Wesen, vor die der Erde, des Meeres und der Luft, und bat sie, daß sie Balder nicht schaden möchten. Und alle, wie vielfach sie waren, das Feuer, die Winde, die Wasser und Erze, die Steine und Bäume, die Sträucher und Tiere, alles, was geht oder schwimmt, was sich schwingt oder schleicht, und alles, was lebt und was tot ist, die Krank¬ heiten, Gifte, alles aus der Zwerge und Thurfen Bereich, — sie sprachen alle: „Wie gern geloben wir den Eidschwur! Keiner der Götter ist schöner als Balder, und keiner der Götter spricht milder und weiser als Balder! wir schätzen ihn alle!"