128 Darauf tritt Odin heran, am Finger den herrlichen Goldring, von dem in jeder neunten Nacht acht ebenso schwere herabrinnen. Er streift ihn ab und fügt ihn auf Balders Finger. Dann beugt er sich zu des Toten Ohr und haucht ihm das Abschiedswort zu. Schon wird der Holzstoß entzündet, es lugen die Flammen aus den Fugen und Ritzen. Da tritt Thor mit dem Hammer herbei, das Feuer zu weihen. Unten drängen sich Zwerge heran, mit ihrem Herrn zu sterben begierig. Da hebt und schiebt sie Thor mit dem Fuße in die Flammen. Darauf aber kommen zum brennenden Holzscheit die Winde. Die entführen das Schiff vom Gestade. Die Götter sehen es lautlos steigen und neigen. Zuerst immer höher schlagen die Flammen, und schneller fährt das Schiff. Dann sinken sie langsam zusammen. Wie still steht das Schiff auf der fernen hohen See, und plötzlich schwindet es zur alles verhüllenden Tiefe hinab. Die Götter aber kehren schweigend in die öden Hallen zurück. 6. Hermod war flugs auf Odins Hengst gesprungen. Funken schwirrten dem Rosse von Mähne und Schweif. In Blitzes Hast fuhr er abwärts vom Himmel zur Erde dorthin, wo der Helweg anhebt. Er drang in die Tiefe, wo in nebligem Schlamm die Toten hinhuschen. Das Licht von der Mähne des Rosses, vom Glanz des Helms erlosch. Neun Nächte lang ritt er, hastgespornt, die lichtlosen Täler entlang. Endlich blinkte ihm Gold vom Geländer der Brücke entgegen. Er war am Grenzstrom des Helreichs. Am Ausgang der Brücke stand die Wächterin und hemmte seinen Ritt. „Halt an dein Roß, lichtstrahlender Reiter! Fünf Haufen von Toten ritten gestern hinüber; doch dröhnte die Brücke nicht so, wie von den Hufen deines Rosses. Sag deinen Namen, daß ich prüfe, ob ich dich einlassen werde." „Ich hehle ihn nicht. Hermod bin ich, Odins Sohn. Balder zu sehen, bin ich gekommen, für Balders Rückkehr Buße zu bieten. Wehre mir nicht den Weg, ich ertrotze ihn sonst!" Und die Wächterin sprach: „Gestern ist Balder hinübergeritten. Nordwärts führt der Weg zu Hels Palast." Und schnell flog Hermod den Nordweg dahin. Er kam zum Gitter, das den Hof umgibt. Hoch über Rosses und Reiters Häupten ragten