Johann Ludwig Uhland. 129 Er sprengt auf das Geschrei im Flug heran, Er treibt sein Pferdchen mutig in die See Und meint das blum'ge Fahrzeug zu erschwimmen. 105 Kaum aber prüft das Tier die kalte Flut, So schüttelt sich's und wendet störrig um Und reißt den Reiter an den Strand zurück. Derweil ist schon der Nachen mit dem Kinde Hinausgetrieben aus der stillen Bucht, 110 Und frisches Wehen auf der offnen See Entführt ihn bald den Blicken. Richard. Armes Kind! Die heil'gen Engel mögen dich umschweben! Balder. Dem Vater kommt die Schreckensbotschaft zu; Gleich läßt er alle Schiffe, groß und klein, 115 Auslaufen, und das schnellste trägt ihn selbst. Doch spurlos ist das Meer, der Abend sinkt, Die Winde wechseln, nächtlich tobt der Sturm. Von mondelangem Suchen bringen sie Den leeren, morschen Nachen nur zurück 120 Mit abgewelkten Kränzen — Richard. Was stört dich in der Rede, werter Gast? Du stockst, du atmest tief. Balder. Ich fahre fort. Seit jenem Unfall freute sich der Knabe Nicht mehr des Nosselenkens wie zuvor; 125 Viel lieber übt' er sich im Schwimmen, Tauchen, Am Ruder prüft' er gerne seinen Arm. Als er zum kräft'gen Jüngling nun erstarkt, Da heischt er Schiffe von dem Vater. Nichts hat das feste Land, was er begehrt, 130 Kein Fräulein auf den Burgen reizet ihn, Dem wilden Meere scheint er anverlobt, Darein das Mägdlein und der Ring versank. Auch rüstet er sein Hauptschiff seltsam aus Mit Purpurwimpeln, goldnem Bilderschmuck 135 Wie einer, der die Braut meerüber holt. Richard. Fast wie das deine drunten in der Bucht, Nicht wahr, mein wackrer Seemann? Balder. Wenn du willst. Mit jenem reich geschmückten Hochzeitschiff Hat er in manchem grausen Sturm geschwankt. 140 Wenn so zu Donnerschlag und Sturmgebraus Die Wogen tanzen, feiner Hochzeittanz! Manch blut'ge Seeschlacht hat er durchgekämpft Und ist davon im Norden wohlbekannt. Mit sondrem Namen ward er dort belegt: Hellwig und Zernial, deutsches Lesebuch, IH. 9