266 A. Epische Poesie. IY. Schilderungen. 2. Wohl ist der Weg ein weiter Vom Tale bis zur Fluh Und ragt wie eine Leiter Oft steil dem Gipfel zu. Da kostet's an der Sonne Wohl manches Tröpflein Schweiß; Doch sieh, die schönste Wonne Belohnt am Ziel den Fleiß! 3. Was lockt ihr mich zur Linken Dort in des Abgrunds Schoß, Ihr Pfade, die da winken Zum sammelweichen Moos? Ihr sollt mich nicht verlocken, Ist rauh gleich meine Bahn; Des Himmels Silberglocken Sie rufen mich hinan. 4. Und daß ich im Gewirre Der Straßen ohne Zahl Vom Ziele ja nicht irre, Wer lehrt die rechte Wahl? Wegweiser sind erhoben An jedem Scheideweg; Ein Finger weist nach oben, Zum Hochblau'n hier der Steg! 5. Wie wandert sich's im Leben So sicher und gerad', Ist Bürgschaft mir gegeben: Du gehst den rechten Pfad! An jedem Scheidewege Winkt Gottes Schrift und Hand Zum schmalen Himmelsstege, Zum schönen Heimatland. 6. So geht es unverzüglich, Obwohl nicht ohne Schweiß, Zum hohen Ziel untrüglich, Da winkt des Manderns Preis; Schon strahlt er mir entgegen In sonnig hellem Glanz Nach rauhen, steilen Wegen, Des frohen Sieges Kranz. 7. O weite, weite Runde, Wie überraschend schön, Vom tiefen Rheinesgrunde Bis zu den Felsenhöh'n! Wie hehr die Alpen ruhen In rosig duft'gem Glanz Und blau des Juras Flühen, Und grün des Wasgaus Kranz! 8. Und sieh, wie Riesengruppen Erheben sich mit Macht Des Schwarzwalds höchste Kuppen In dunkler Tannenpracht! Dazwischen grüne Täler, Der Bächlein Silberstrahl, Der Burgen graue Mäler Und Dörflein ohne Zahl. 9. Wie schön ist's auf der Erden, Die Schönres noch verheißt! Wie wird's im Himmel werden? Schau' über dich, mein Geist! Blickt nicht aus Ätherbläue Das Aug' des Herrn auf dich, Voll Güte, voller Treue, Als spräch' er väterlich: 10. „Mein Kind, bist du hier oben Nicht innig wohlgemut? Und muß dein Herz nicht loben, Wie hold ich dir, wie gut? Nun sieh, im höchsten Blauen Ist's erst vollkommen schön: Dort sollst du Hütten bauen — Auf! zu den ew'gen Höh'n!"