Briefe Moltkes. Brief Bismarcks. 281 den Rest der französischen Armee, der wir seit Bar-le-Duc nachjagten, in die Festung warfen, wo sie sich mit dem Kaiser kriegsgefangen ergeben mußte. Gestern früh fünf Ahr, nachdem ich bis ein Ahr früh mit Moltke und den französischen Generälen über die abzuschließende Kapi¬ tulation verhandelt hatte, weckte mich der General Reille, den ich kenne, um mir zu sagen, daß Napoleon mich zu sprechen wünschte. Ich ritt ungewaschen und ungefrühstückt gegen Sedan, fand den Kaiser im offenen Wagen mit drei Adjutanten und drei zu Pferde daneben haltend. Ich saß ab, grüßte ihn ebenso höflich wie in den Tuilerien und fragte nach seinen Befehlen. Er wünschte, den König zu sehen; ich jagte ihm der Wahrheit gemäß, daß Se. Majestät drei Meilen davon, an dem Orte, Mo ich jeitf schreibe, sein Ouartier habe. Aus Napoleons Frage, wo¬ hin er sich begeben sollte, bot ich ihm, da ich der Amgegend unkundig, mein Ouartier in Donchery an, einem kleinen Orte in der Nähe dicht bei Sedan; er nahm es an und fuhr, von seinen sechs Franzosen, von mir und von Karl, der mir inzwischen nachgeritten war, geleitet, durch den einsamen Morgen nach unserer Seite zu. Bor dem Orte wurde Es ihm leid, wegen der möglichen Menschenmenge, und er fragte mich, ab er in einem einsamen Arbeiterhause am Wege absteigen könne, ich kieß es besehen durch Karl, der mir meldete, es sei ärmlich und unrein. »N’importe“, meinte Napoleon, und ich stieg mit ihm eine gebrechliche, enge Stiege hinauf. In einer Kammer von zehn Fuß Gevierte, mit einem ßchtenen Tische und zwei Binsenstühlen, saßen wir eine stunde, die anderen waren unten. Ein gewaltiger Kontrast mit unserem letzten Beisammensein, 1867 in den Tuilerien. Ansere Anterhaltung war schwierig, wenn ich nicht Dinge berühren wollte, die den von Gottes gewaltiger Land Niedergeworfenen schmerzlich berühren mußten. Ich hatte durch Karl Offiziere aus der Stadt holen und IAoltke bitten laßen, zu kommen. Wir schickten dann einen der ersteren auf Rekognoszierung und ent- deckten eine halbe Meile davon in Fresnois ein kleines Schloß mit Park. Dorthin geleitete ich ihn mit einer inzwischen herangeholten Eskorte vom Leib-Kürassier-Regimente, und dort schloßen wir mit dem französischen Obergeneral Wimpffen die Kapitulation, vermöge deren 40- bis 60000 Franzosen, genauer weiß ich es noch nicht, mit allem, was sie haben, unsere Gefangenen wurden. Der vor- und gestrige ^.ag kosten Frankreich 100000 Mann und einen Kaiser. Leute früh ging letzterer mit all seinen Lofleuten, Pferden und Wagen nach Wilhelms¬ höhe bei Kassel ab. Es j ist ein weltgeschichtliches Ereignis, ein Sieg, für den ww Eott dem Lerrn in Demut danken wollen, der den Krieg entscheidet,