VI. Aus der Naturkunde. 66. Eiche und Buche. 0 6 Eiche ist der europäische Urbaum. Die Pelasger und jene Wanderscharen, die einst an den Küsten von Griechenland eine 5 Heimat suchten, verehrten ihn als Lebensbaum, als kostbare Gabe ihres höchsten Gottes. Seine Früchte sättigten sie, in seinen Stämmen fanden sie Wohnung, unter seinen Wurzeln sprang der tränkende Quell. Und selbst als längst die barbarische Rauheit menschlicher Sitte gewichen war, erhielt sich die Verehrung für den Segenspender 10 unbekümmert fort in dem Gemüte der Völker. Bei Griechen und Körnern blieb er dem Olympier geweiht, aus seinem Kauschen tönten ihnen Stimmen der Zukunft. Der Deutsche aber und der Skandi¬ navier sahen das Haus des Donnergottes in dem Eichengipfel. In gleicher Weise widmeten Kelten und Slaven ihm einen geheimnis- 15 vollen Kultus. So hat diesen Baum ein ahnender Natursinn gleich¬ sam wetteifernd mit einem Immergrün von Sagen und Gesängen umwoben. Und dies ist wohl erklärlich. Kein zweiter Baum glich ihm an wildkühner Schönheit; aber keiner bot sich auch dem ersten 20 Bedürfnis zu ausgiebigerem Dienste. Das Haus des Lebenden, den Sarg des Toten, das Schiff, das den Seefahrer trug, die Lanze, die der Jäger schwang, alles gab die Eiche. Darum wurde ihre Pflege eine Pflicht, und schön sagt das angelsächsische Alphabet: Eiche ist auf dem Land 25 den Menschenkindern Fleisches Behältnis (Haus und Sarg), fährt häufig über Wasserhuhnes Bad, erforscht die See. 30 Jeder habe Eiche, den edlen Baum!