278 steht sie in voller Pracht , und dreihundert Jahre altert sie, bis sie, morsch und hohl geworden, endlich den Stürmen zum Opfer fällt. Es giebt Eichen, über deren Haupte tausend, ja anderthalbtausend Jahre hingezogen sind. Hochberühmt unter den deutschen Eichen sind die von Hasbruch zwischen Bremen und Oldenburg, die ebenfalls viele Jahrhunderte zählen und von Malern häufig aufgesucht werden. Einzelne dieser Eichen haben einen Umfang von mehr als zehn Meter. Schon in den ältesten Schriften wird die Eiche erwähnt, die in mancherlei Arten sich über Südeuropa und Vorderasien verbreitet. Wie oft wird ihrer schon in der Geschichte Israels gedacht! — Aus dem Bauschen der heiligen Eichen zu Dodona weissagten die Hellenen in grauer Vorzeit , und bei den alten Deutschen war der Baum dem Donar gewidmet. Nach der Eiche (Drys) haben die griechischen Baumnymphen den Namen; nach ihr nannten sich die Druiden, die Priester der Keltern — Hochberühmt unter den germanischen Eichen war die Domier- eiche bei Geismar an der Weser, welche Bonifacius fällen liess, um die Ohnmacht der heidnischen Götter allem Volke zu beweisen. So erzeugte der Baum in seiner Erhabenheit und ernsten Schönheit geweihte Gefühle in der Brust unserer Altvordern und hob sie zum Göttlichen empor. Unter der Eiche ver¬ sammelten sie sich auch zu Beratungen für des Landes Wohl und mit ihren Zweigen bekränzten sie den Kühnen und Tapferen, der sich im Kampfe bewährt hatte. In der Gegenwart gilt unserem Volke die Eiche recht eigentlich als der deutsche Nationalbaum, so wenig wir sie auch ausschliesslich oder auch nur vorzugsweise besitzen. „Kennt ihr das Land so wunderschön in seiner Eichen grünem Kranz ?“ — so singen wir, indem wir unser Deutschland preisen. Mit ihrem Laube schmücken sich an nationalen Gedenk- und Feiertagen Schützen, Turner, Sänger und andere Festgenossen, und an gar vielen Stätten im deutschen Lande grünen die Dank- und Friedenseichen, welche man nach dem grossen, herrlichen Kriege pflanzte, der uns unsere Einheit zurückgab. Nach Rufs n. anderen. 108. Letzter HeMgang. Noch einmal lockt es uns Hinaus zum Lebewohl an bat scheidenden Herbst. Der Abendwind jagt düsteres Gewölk über den blaue« Himmels plan und treibt die letzten oergilbtett Blätter aus den kahlen Wipfeln über die noch immer grünenden Wiesen. Ein ewiger Wechsel herrscht über uns in der Höhe, wo bald die Sonne, bald das verhüllende Ge¬ wölk die Beleitchtung der Gegend bestimmt. Aus leuchtender Helle werden wir in graue Schatten gerissen, bald wühlt der Wind in den Falten unserer Kleider, bald duldet er, daß ein fallendes Blatt settkrecht nieder¬ fällt. Er neckt uns; denn wenn wir eine Strecke weit int Gehen gegen