298 heraus gewachsene eigentümliche Gestalt,- zur Bildung in dem besonderen 5inne, wie ihn der Zprachgebrauch des 19. Jahrhunderts abgegrenzt hat, gehört dann noch eine gewisse Weite der Beziehungen zur Wirk¬ lichkeit, besonders eine umfassende Berührung mit der geistig-geschicht¬ lichen Welt. Die Bildung eines Mannes ist um so umfassender und gründ¬ licher, je reicher seine Erkenntnis und je tiefer sein Verständnis mensch¬ licher Dinge ist. Der Geist des einzelnen entfaltet sich nur in der Be¬ rührung mit dem allgemeinen Geist, wie er sich im geschichtlichen Leben der Menschheit entwickelt. von hier aus ist uns nun auch einleuchtend, warum der 5prach- gebrauch Bildung in so enge Beziehung zu Literatur und Kunst, Philo¬ sophie und Poesie setzt, mehr als zu Naturwissenschaft und Technik, Politik und Wirtschaftsleben,- in jenen erscheint das geistige Leben eines Volkes am freiesten und eigentümlichsten. Nicht minder ist von hier aus ver¬ ständlich, warum Zprachkenntnisse gern als Gradmesser der Bildung ver¬ wendet werden: durch den Besitz der Zprache tritt man in unmittelbare Berührung mit dem geistigen Leben des Volkes, das sie spricht, und darum heißt eine fremde Sprache lernen, sich den Zugang zu einer neuen Provinz des Reiches der Humanität öffnen. Das letzte Ziel der Bildung in dieser Rbsicht wäre, daß jemand von sich in Wahrheit sagen < könnte, es fei ihm nichts Menschliches fremd,- freilich ein unerreichbares Ziel, dies Ziel faustischen Begehrens: Und was der ganzen Menschheit zugeteilt ist, will ich in meinem innern Selbst genießen. Friedrich Pauls en. 133. Die Bildung der Schülerin der höheren Mädchenschule. Nach unserer Grundanschauung muß alle wahre Bildung persön¬ liche Bildung sein, d. h. wir erkennen nur da ideale Bildung an, wo das Gebiet des Erkennens ein Betätigungsgebiet persönlichen Lebens ist.- Bus dieser Anschauung ergeben sich eine Reihe wichtiger Forderungen und Folgerungen. Zunächst bedeutet Bildung nicht, wozu der Name verleiten könnte, den ruhenden Besitz von einem irgendwie gearteten Wissen, persönliche Bildung ist ein geistiges Leben und Ztreben. Die Kräfte dieses Lebens und die Motive dieses Ztrebens müssen im Eigensten der Person liegen. Eine Bildung, deren Motiv der Wunsch, für gebildet zu gelten, ist, muß verworfen werden wie jede Bildung, die irgendwie das Ergebnis äußeren Zwanges ist. Ebenso müssen die Richtungen des Bildungsstrebens, die Bahnen des Bildungslebens durch das Wesen der