138 I prosa. Zagen. Die Siegfriedsage. (Nach dem Nibelungenliede.) Z Nach August Friedrich Christiau Vilmar. 70. Siegfried. 1. Kriemhilds und Siegfrieds Jilgend. Im Burgundenlande, auf der alten Königsburg zu Worms an dem Rheine, wuchs eine edle Königstochter nach des Vaters frühem Tode zw blühenden Jungfrau heran, voll Liebreiz und Anmut. Leise, ahnungsreiche Träume umschweben das sinnende Haupt der lieblichen Kriemhild in der 5 stillen Abgeschiedenheit, in welcher sie der edelen Zucht und Sitte ihrer Zeit gemäß ihre Kindheit und erste Jugend verlebte. , Einen Falken, so zeigt ihr ein Traumbild, zieht sie auf und pflegt ihn als ihren Schützling manchen Tag — da stürzen sich zwei Adler herab und packen mit ihren grimmen Klauen das zarte Tier vor ihren Augen. Schmerzlich bewegt 10 erzählt die Erwachende den Traum der lieben Mutter. „Der Falke," deutet diese das stille, süße und bange Ahnen der Tochter, „der Falke ist ein edler Mann, dem deine Zukunft bestimmt ist; wolle Gott ihn behüten, daß dn nicht früh ihn verlierst!" „Was sagt ihr, liebe Mutter, mir von einem Manne?" erwidert die Tochter; „ohne Minne eines Helden will ich bleiben, 15 meine Jugendschönheit bewahren bis zum Tode, daß nicht meiner Lust mit Leide zuletzt gelohnet wird." — „Nun, versprich es nicht zu sehr — weiß es nicht allzu weit von dir!" entgegnete die Mutter; „willst du jemals von Herzen froh werden, so geschieht es von Mannes Minne. Du wirst eines edlen Helden schönes Weib." 20 Heiter in fröhlicher Jugend, stark in frischem Mannesmute und gewaltig in kühner Kraft, ist inzwischen Siegfried, Siegmunds und Sieglinds Sohn, im Niederland zu Santen am Rheine schon als Knabe zum Helden heraw gewachsen und schon durch manche Lande hingezogen, um freudig seines riesigen Leibes wunderbare Stärke zu versuchen; da hörte er die Kunde vw 0 Proben aus dem Nibelungenliede siehe S. 16.