Falken und dem Adler träumte. Jetzt hat sie zwei Berge auf Siegfried fallen und ihn unter den stürzenden Bergestrümmern verschwinden sehen. Siegfried tröstet sie: niemand trage Haß gegen ihn und könne Haß gegen ihn tragen; allen habe er Gutes erwiesen, in kurzen Tagen komme er wieder. Was 320 sie fürchtet, wen sie fürchtet, weiß sie nicht — Hagen glaubt sie gewonnen zu haben, den einzigen, vor dem ihr vielleicht bangt — aber sie scheidet mit dem Worte: „Daß du von mir scheiden willst, das thut mir inniglich weh." Die Jagd ist vollendet, die Helden und vorab Siegfried, der das meiste Wild erlegt, sind von dem Rennen in der Sommerhitze müde und durstig; doch weder 325 Wein ist mehr vorhanden, noch der Rheinstrom in der Nähe, um aus ihm die er¬ sehnte kühle Labung zu schöpfen. Aber Hagen weiß nahe im Walde einen Brunnen; dahin, rät er, könne man ziehen. Man bricht auf, und schon hat man die breite Linde im Gesicht, unter deren Wurzeln der kühle Quell entspringt, da beginnt Hagen: „Man hat viel davon gesagt, daß dem schnellen Siegfried, 33O der Kriemhild Mann, niemand folgen könne im eiligen Laufe; wolle er uns das doch sehen lassen!" — „Laßt uns," entgegnet Siegfried, „zur Wette laufen nach dem Brunnen! Ich werde mein Jagdgewand, auch Schwert, Ger und Schild behalten, legt ihr die Kleider ab!" — Es geschieht, der Wettlauf beginnt; wie wilde Panther springen Hagen und Günther durch den Waldklee, aber Siegfried 335 ist weit zuerst zur Stelle. Ruhig legt er nun Schwert, Bogen und Köcher ab, lehnt den Ger an der Linde Ast und setzt den Schild neben den Brunnen, wartend, bis der König auch herangekommen sei, um ihn zuerst trinken zu lassen. Diese ehrerbietige Sitte entgalt er mit dem Tode. (Leicht konnte er getrunken haben, ehe Günther und Hagen herankamen, dann hätte er schon 340 wieder da gestanden, die Waffen in der Hand, und was jetzt geschah, war unmöglich). Günther kommt heran und trinkt; nach ihm beugt sich auch Sieg¬ fried zum Brunnen nieder. Da springt Hagen herzu, trägt im raschen Sprunge die Waffen, die er erreichen kann, Schwert, Bogen und Köcher, abseits, den Ger behält er selbst in der mörderischen Faust, und indem Siegfried noch die 345 letzten Züge an dem Brunnen einschlürft, schleudert Hagen den Ger, Siegfrieds eigene Waffe, durch das Kreuz, das Siegfried im Rücken trägt, daß von dem Herzblut des herrlichen Helden des Mörders Gewand überströmt wird. Wütend springt der Todeswunde ans von dem Brunnen; zwischen den Schulterblättern ragt die lange Gerstange aus seinem Leibe hervor. Er greift nach Bogen 350 und Schwert — er findet keine Waffe; da faßt er den Schild, der dicht neben ihm liegt, und den Hagen nicht hat beiseite schaffen können, und stürzt auf Hagen los. Grimmig schlägt er mit dem Schilde auf deu Mörder, daß die Edelsteine, mit denen der Schild besetzt war, herausgesprengt werden, er schlügt so furchtbar, daß Hagen zu Boden stürzt und der Schild zerbricht; der Wald 355 hallet wider von der Wucht der Schläge, welche die Hand des sterbenden Helden auf das Haupt seines Mörders fallen läßt. Da erbleicht seine lichte Farbe, die Füße wanken, die Stärke des Heldenleibes zerrinnt, der Tod hat ihn gezeichnet. Kriemhilds Gatte fällt dahin in die Blumen, und in breiten Strömen fließt das Herzblut aus der Todeswunde. Mit der letzten Kraft 360 wendet er sich zornig zu seinen Mördern: „Ihr Feiglinge, was helfen nun