3ut Geschichte -er deutschen Dichtung 89. Vas Mallkariiieä. Von «uibeim i>ert?. Deutsche Sage im Elsaß. Stuttgart 1872. S. 93. ililS Attila aus Pannonien heraufzog, beschloß der Frankenkönig Gibicho, um die Freundschaft des Unüberwindlichen zu werben, und da sein eigenes Söhnlein Gunthari der Mutter noch nicht entbehren konnte, sandte er ihm als Geisel einen Knaben edeln Geschlechts, Hagano, mit unermeßlichen Schätzen. Seinem Beispiele folgte Herrik, der König von Burgund, der zu Cabillonum (Chalons an der Saone) saß, und überantwortete dem Hunnen seine Erbtochter, die schöne Hildgund. Der König von Aquitanien endlich, Albhere geheißen, stellte seinen jungen Sohn Walthari, der schon im Kindesalter mit Hildgund verlobt worden war. Fröhlichen Herzens zogen die Hunnen heim, und Attila ließ die Knaben wie seine eigenen Erben erziehen. Sie wuchsen heran, an Kraft die Starken, an Geist die Weisen überflügelnd, und erwarben sich in den Heerzügen den höchsten Ruhm und die Liebe des Königs. Auch die Jungfrau stieg in der Gunst der Königin Ospirin bis zum Amte der Schatzmeisterin. Mittlerweile war der Frankenkönig Gibicho gestorben, und sein Sohn Gunthari verweigerte den Hunnen den Zins. Kaum hörte das Hagano, so entfloh er nächtlicherweile, während Walthari aus einer Heer¬ fahrt abwesend war. Von da an duldete es auch diesen nicht länger am Hunnenhofe. Als er eines Tags siegreich von einem neuen Kriegszug heimkehrte, fand er in des Königs Gemach Hildgund allein. Er bat sie um einen Becher Wein und führte ihn mit der einen Hand zum Mund, während er mit der andern die Hand der schweigenden Jungfrau um¬ schlossen hielt. „Gleiche Verbannung dulden wir schon so lange Zeit," begann er, „und wissen doch wohl, was unsere Väter dereinst unter sich vereinbart. Warum sprechen wir nichts darüber?" — Sie nahm seine Rede für Scherz; er aber fuhr beteuernd fort: „Ferne sei, daß ich dir heuchle! Wir sind allein; wüßte ich, daß du gleichen Sinnes mit mir wärest und mir Treue halten wolltest, so würde ich dir meines Herzens geheime Gedanken vertrauen." — Da neigte sie sich demütig vor ihm und sprach: „Herr, ich werde dir folgen, wohin du mich rufst." — „Oft denke ich," fuhr er fort, „der verlassenen Heimat und wäre längst