Sage, Welt- und Kirchengeschichte. 533 da zog es den Sohn zur höheren Nahrung und zu geistigem Umgang, und während Friedrich Wilhelm die altväterische Schlichtheit und Gläubig¬ keit hochhielt, schien sein Sohn zu Pracht und Freigebigkeit hinzuneigen, oder fühlte sich angezogen von der französischen Bildung und Sitte, die der Vater verabscheute. Wie es nicht selten im Leben geschieht, ver¬ standen sich zwei in ihrem Kreise tüchtige Naturen einander nicht, sondern gingen, da sie beide zäh und eigensinnig waren, in feindseliger Ver¬ bitterung auseinander. Der König übersah, daß es noch eine andere Welt gebe als die des Exercierplatzes und der Kanzlei; der Kronprinz vergaß, daß hinter dem rauhen Ernste des Vaters die Biederkeit alter deutscher Sitte und eine ehrbare Zucht verborgen war, die der neuen vornehmen Weltbildung fehlte. Und doch konnte man sagen, daß jeder dieser beiden Männer den andern ergänzte; Preußen wäre nie geworden, was es geworden ist, wenn nicht Friedrich den starren Formen seines Vaters Leben und Geist eingehaucht hätte; aber auch Friedrich wurde erst zu dem, was er war, durch die straffe Zucht und den prosaisch ernsten Sinn, zu dem der Vater den weichen, sinnlichen Jüngling heranzog. Es sind harte und furchtbare Tage vorausgegangen, bis der innere Zwiespalt zwischen beiden überwunden war; dann lernte aber der Sohn des Vaters rastlose und pflichteifrige Thätigkeit so würdigen, wie sie es verdiente, und der Vater hat es mit Stolz und Dankbarkeit anerkannt, daß er einen solchen Nachfolger hinterlasse. Und doch mochten die wenigsten damals eine richtige Ahnung von dem künftigen König haben. Das Leben, das Friedrich zu Rheinsberg mit seinen Freunden führte, zeigte einen heiteren, geistreichen Kreis, der in epikureischem Behagen jeden erlaubten Genuß zu sich heranzog, der an Poesie und Kunst sich ergötzte, der in anmutigen Gesprächen und Scherzen die Zeit hinbrachte, so daß, wenn sich nach diesen Anfängen die Zukunft bestimmte, eher eine friedfertige, mediceische Epoche zu erwarten schien als ein bewegtes, sturm- volles, die alte Welt erschütterndes Regiment. Friedrich selbst freilich hatte über dem Genusse die ernsten Dinge nicht vergessen; er tändelte und scherzte zwar mit den Freunden, er gab sich mit ganzer Lebens¬ freude dem Genusse heiterer Geselligkeit und Freundschaft hin und pries oft diese Zeit als die glücklichste seines Lebens, aber seine Gedanken wie seine Thaten haben doch immer zugleich den ernsten Hintergrund, auf den ein großer Beruf ihn hinwies. Er lernte aus allem, er ergriff das Mannigfaltigste mit gleicher Virtuosität, er war in kriegerischen und administrativen Dingen, in Sachen des Handels und der Industrie besser bewandert und dieser Prosa des Lebens mit regerem Interesse zugewandt, als es selbst die ihm zunächst Stehenden ahnten. Sein Leben und seine Briefe aus jenen Tagen lassen uns einen reichen und vielseitigen Geist erkennen, der sich mit wunderbarer Elasticität an das Verschiedenartigste heranwagt, und den neben heiteren Scherzen die tiefsten Fragen der Philosophie und Religion ernstlich beschäftigen; sie zeigen uns daneben em warmes, für Freundschaft empfängliches Gemüt und einen milden, humanen Sinn, aber auch ein Ehrgefühl und einen Mannesstolz, der keine Demütigung ertrug, und ein Gefühl von Pflicht und Verantwort¬ lichkeit, wie es nie in höherem Maße ein Königssohn in sich getragen hat.