226 Mutterpflicht Stunden? Für jenen besiegtet ihr Meinungen und Neigungen; warum für diese weniger? Ihr, an deren geistig und körperlich nährende Brust die Natur die Waisen der Erde angewiesen, lasset sie an einer gemieteten kalten darben und welken? Ihr, mit Geduld, Reiz, Milde, Rede und Liebe von der Natur ausge¬ rüstet für die Wesen, die sogar vom Vater zu euch flüchten, für diese vermöget ihr nicht zu wachen — ich meine nicht etwa eine Nacht lang, sondern nur einen Tag lang? — Seht, die, welche unter eurem Herzen waren und jetzt nicht in demselben sind, strecken die Arme nach dem verwandtesten aus und bitten zum zweitenmal um Nahrung. Wie bei manchen alten Völkern keine Bitte abgeschlagen wurde, wenn man sie mit einem Kinde im Arme tat: so tun an euch jetzt Kinder, die auf euren Armen oder denen der Ammen liegen, Bitten für sich selber. Zwar, was ihr opfert für die Welt, wird wenig von ihr gekannt — die Männer regieren und ernten — und die tausend Nachtwachen und Opfer, um welche eine Mutter dem Staate einen Helden oder Dichter erkauft, sind vergessen, nicht einmal gezählt; denn die Mutter selber zählet nicht — und so schicken ein Jahrhundert nach dem andern die Weiber unbenannt und unbelohnt die Pfeiler, die Sonnen, die Sturmvögel, die Nachti¬ gallen der Zeit! Nur selten findet eine Kornelia ihren Plutarch, der ihrer mit den Gracchen gedenkt. Sondern wie jene zwei Söhne, die ihre Mutter zum delphischen Tempel führten, durch Sterben belohnt wurden, so wird für euer Führen eurer Kinder euch nur das Sterben ganzer Lohn. Aber zweimal werdet ihr nicht vergessen. Glaubt ihr eine unsichtbare Welt, worin die Freudenträne des dankbaren Her¬ zens mehr wiegt und glänzt als die hiesigen Kronen, die mit versteinerten Oualzähren besetzt werden; so wißt ihr eure Zukunft. Habt ihr recht erzogen, so kennt ihr euer Kind. Nie, nie hat eines je seiner rein- und rechterziehenden Mutter vergessen. Auf den blauen Bergen der dunklen Kinderzeit, nach welchen wir uns ewig umwenden und Hinblicken, stehen die Mütter auch, die uns von da herab das Leben gewiesen; und nur mit der seligsten Zeit zugleich könnte das wärmste Herz vergessen werden. Ihr wollt recht stark geliebt sein, Weiber, und recht lange