1. Auf der Wache. Aus Peter Rosegger, Waldheimat. (Leipzig, L. Staackmann.) Mein Vater litt an einer langwierigen Krankheit. Es war selten wer um ihn, als sein ältestes Söhnlein. Auch der Jäger Wolf saß zuweilen neben ihm auf der Ofenbank und freute sich, wenn deni Kranken der gespendete Wildbraten recht mundete. Und der Wildbraten stellte meinen Vater richtig so weit wieder her, daß dieser eines Tages, es war im August um die Zeit des Maria-Himmelfahrtsfestes, zu mir sagte: „Bub', jetzt werd' ich doch endlich wieder was anfangen müssen. Was meinst, zum Korbflechten wär' ich wohl stark genug?" Und am nächsten Tage gingen wir schon zur Morgenfrühe aus und gegen die sogenannte Wildwiese hinauf, wo viele Weiden wachsen. Die Wildwiese war oben in den hinteren Waldungen. Oft blieb mein Vater unterwegs stehen, stützte sich auf seinen Stock, schöpfte Luft, und dann fragte er mich immer, ob ich ein Schnittchen Brot beißen wolle. Als wir über die Schafhalde hinaufgekommen waren, wo der junge Lärchenanwuchs noch im Morgentaue stand, sahen wir im Dickicht einen Mann dahinhuschen, der ein Stück Hochwild über der Achsel trug und etwas wie ein Schießgewehr hinter sich herschleppte. Er duckte sich so sehr, daß nur ein paar kohlschwarze Haarfetzen von seinem Haupte zu sehen waren. Als diese Gestalt vorüber war, blieb mein Vater wieder stehen und sagte: „Hast geguckt? Das ist der schwarz' Toni gewesen." Der schwarz' Toni war ein Mann, vor dem sie überall die Türen verriegelten. „Ja, Kind," sagte der Vater, als wir uns auf den Stamm eines gefallenen Baumes gesetzt hatten, „ist hart für einen Menschen, dem's so geht wie dem Toni. Der hat sein Lebtag nicht Vater und Mutter gesehen. Als Kind ist er aus dem Findelhause in unsere Gegend ge¬ bracht worden. Freilich nicht aus christlicher Barmherzigkeit, sondern des Geldes wegen, das für ihn ausgezahlt worden, hat ihn ein Köhlerweib an Kindesstatt genommen. Halb erwachsen hat sich der Toni im Wald herumgetrieben, kein Mensch hat sich an ihn gekehrt; so ist er verwahrlost und verwildert. Wie das Köhlerweib sieht, der Ziehsohn bringe nur Schande, so hat sie gesagt: „Toni, du Lump, bei mir bist nimmer daheim!" —