Ch amisso. Curtius. 305 U6. Die alte Waschfrau. A d elbert von CHamisso. Poetische Werke. Berlin. 1. Du siehst geschäftig bei den Linnen Die Alte dort in weißem Haar, Die rüstigste der Wäscherinnen Im sechsundsiebenzigsten Jahr. So hat sie stets mit sauerm Schweiß Ihr Brot in Ehr' und Zucht ge¬ gessen Und ausgefüllt mit treuem Fleiß Den Kreis, den Gott ihr zugemessen. 2. Sie hat in ihren jungen Tagen Geliebt, gehofft und sich vermählt; Sie hat des Weibes Los getragen, Die Sorgen haben nicht gefehlt; Sie hat den kranken Mann gepflegt, Sie hat drei Kinder ihm geboren, Sie hat ihn in das Grab gelegt Und Glaub' und Hoffnung nicht verloren. 3. Da galt's, die Kinder zu er¬ nähren ; Sie griff es an mit heiterm Mut, Sie zog sie auf in Zucht und Ehren, Der Fleiß, die Ordnung sind ihr Gut. Zu suchen ihren Unterhalt, Entließ sie segnend ihre Lieben, So stand sie nun allein und alt, Ihr war ihr heitrer Mut geblieben. 4. Sie hat gespart und hat ge¬ sonnen Und Flachs gekauft und nachts gewacht. Den Flachs zu feinem Garn ge- sponnen. Das Garn dem Weber hingebracht. Der hat's gewebt zu Leinewand; Die Schere brauchte sie, die Nadel Und nähte sich mit eigner Hand Ihr Sterbehemde sonder Tadel. 5. Ihr Hemd, ihr Sterbehemd, sie schätzt es, Verwahrt's im Schrein am Ehren¬ platz ; Es ist ihr Erstes und ihr Letztes, Ihr Kleinod, ihr ersparter Schatz. Sie legt es an, des Herren Wort Am Sonntag früh sich einzuprägen; Dann legt sie's wohlgefällig fort. Bis sie darin zur Ruh' sie legen. 6. Und ich an meinem Abend wollte. Ich hätte,a diesem Weibe gleich. Erfüllt, was ich erfüllen sollte In meinen Grenzen und Bereich; Ich wollt', ich hätte so gewußt. Am Kelch des Lebens mich zu laben. Und könnt' am Ende gleiche Lust An meinem Sterbehemde haben. J\7, Des Königs Auszug. Ernst Curtius. Adolf Enslin. Der deutsch-französische Krieg in Liedern. Berlin. 1. Wie zog der König an den Rhein? Lockt' ihn der Schlachten Feuer¬ schein? Zog er hinaus zum Kampf und Blut Mit hartem Sinn und wildem Mut? Paldamus, Deutsches Lesebuch. Ausgabe 0. Quarta. 20