114 III. Aus der deutschen Götter- und Heldensage. Einladung anzunehmen, und mit großem Heergefolge von eintausend Edlen zogen Siegfried und Kriemhild tu Begleitung des alten Siegmund (dem: die Mutter Sieglinde war inzwischen gestorben) arglos und unbefangen, in der fidjeren Heiterkeit der Unschuld, nach Worms ml dem Rheine. Reiche Gaben, rotes Gold und strahlende Kleinode wurden nlitgeführt, iml die Milde, die Freigebigkeit eines reichen Königs an dem Hofe der Burgunden zu betätigen; nur das Küld ward zurückgelassen, Siegfrieds und Kriemhildens Sohn; es sollte feinen Vater und seine Mutter nimmer wiedersehen. Glänzerrder Empfang wartete der Gäste zu Worms; mit ihnen strömten zum Ritterspiel Tausende voll Rittern voll allen weiten Wegen ein in die Tore der Kölligsstadt; in prächtigen Reitgewändern ritten die Könige mit ihrem Gefolge dllrch die Gassen, unb herrlich geschmückt saßen edle Frauell nnb schöne Mägdlein in ben Fenstern; Posaunen-, Trumben- ulld Flötenhall erfüllte die weite Rheinstadt, daß sie lallt davoll erhallete; aber bald sollten der gellende Toil des eifersüchtigell Hasses, die Reiferen Stimmen des Zankes den süßell Flötengesang übertönell und ben Mordschrei ankündigen, der bald die Säle der Burg und die Gasseil der Stadt, der bald alle Lande erfüllen und noch nach tausend Jahrerl in den Herzen der späteren Geschlechter erschütternd widerhallen sollte. 4. Die beidell Kölligiimen, Kriemhild nnb Brunhild, saßen zusammen, wie einst in den schönen Tagen vor zehn Jahren, nnb gedachten dieser Tage. Da sprach Kriemhild: „Ich habe einen Mann, der es verdieilte, daß alle diese Königreiche sein eigeil wären!" Das war der Funke, welcher einschlug. „Wie wäre das möglich?" entgegnete finster Brunhild, „diese Reiche gehören Günther und werden ihm untertan bleibell." Kriemhild überhörte die Worte des aufsteigenden Grolls ulld fuhr mlbesangen fort: „Siehst bn wohl, wie er dort steht, wie er so herrlich vor den Helden hergeht, wie der Mond vor ben Sternen? Darum ist mein Gemüt so fröhlich." Brunhild ent- gegnete, Günther gebühre der Vorrang vor allen Königen, und Kriemhild antwortete, Siegfried komme ihrem Bruder Günther doch wohl gleich. Da brach Brmchild zornig aus: „Als dein Bruder mich zum Weibe gewallll, hat Siegfried selbst gesagt, daß er Glnithers Dienstmann sei, ulld dafür halte ich ihll seitdem." Freundlich bat Kriemhild, diese Rede 511 lassen; ihre Brüder hätten sie keinem Diellst-