> 16. Bine alte Beschichte, Von Karl von Oerok, Deutsche Ostern. Zeitgedichte. 2. Auflage. Stuttgart und Leipzig 1871. 8. 43. 1. Einst saß in Sommertagen ein deutscher König am Rhein, Er labte sich im Bade und trank den kühlen Wein, Hat siegreich jüngst geschlagen im Osten blutigen Strauß, Nun ruht er mit Behagen zu neuen Kämpfen aus. 2. Doch drüben auf Frankreichs Throne kocht einer alten Groll, Der aller Listen Meister und aller Ränke voll; Sein Thron will aus den Fugen, den leimt' er gern mit Blut, Auch deuchte seine Augen das Land am Rheine gut. 3. Und als er heimlich gerüstet, da griff er rasch zur Wehr, Ergoß durch Lotharingen sein wildes, wüstes Heer; Der Deutsche will's nicht glauben, er glaubt an Ehr' und Treu', Jetzt steht er auf im Zorne, die Mähnen schüttelt der Len. 4. Er ruft des Reiches Fürsten, die stehn für einen Mann: „Der Schimpf, der dir geboten, ist allen angetan, Wir leisten Heeresfolge, wir rotten die Banner auf, Wir sammeln unsre Völker, wir kommen all zuhauf!" 5. Da schickt der König Boten dem welschen Widerpart: „Nicht Überfall und Eidbrnch ist deutscher Brauch und Art; Du brichst den Krieg vom Zaune, du sollst ihn haben, den Krieg, Gott richte unsre Sache und helfe dem Rechte zum Sieg!" 6. Und wie die Büche zu Strömen, die Ströme sich sammeln zum Meer, So flutet aus allen Gauen zusammen das deutsche Heer; Schnurstracks Paris entgegen wälzt es den Siegeslauf, Pflanzt auf Montmartres Höhen des Reiches Adler auf. 7. Und als zum Kreuz gekrochen der welsche Schalk und Schelm, Da schmückte der Heldcnkönig mit Eichenlaub- den Helm, Zog neu mit seinem Schwerte des Deutschen Reiches Mark Und sprach: „Habt Dank, ihr Fürsten, die Eintracht macht uns stark!" 8. Und fragt ihr mich nach Namen: Wer, wo und wie und wann? So wißt: Otto der Zweite, so hieß der deutsche Mann, Der welsche Schelm und Räuber, der aber hieß Lothar, Neunhnndertachtnndsiebzig schrieb man im selben Jahr. 9. Es ist eine alte Geschichte und ist kein neues Gedicht, Bei Giesebrecht, dem Meister, da lest ihr den Bericht; Es ist eine alte Geschichte, doch wird sie immer noch neu, Von welschem Trug und Tücke, von deutscher Kraft und Treu.