178 10. „Ich bin seit dem Morgen hier und sehe die Kornwagen 90 auf dem Platze, die hungernden Armen drum herum, und niemand regt sich, ihnen die von Seiner Majestät dem Kaiser geschenkten Früchte zu geben. Die armen Leute warten schon volle acht Stunden, da wollte ich — " „Was wollten Sie? fragte ihn mit zornblitzenden Augen der 95 Amtmann. Es geht Sie nichts an. Die Bauern können warten. Ich will durch niemand in meinem Vergnügen gestört sein." „Acht Stunden, nahm der Kaiser das Wort, sind für einen Hungernden eine lange Zeit. Die Leute haben außerdem einen weiten Heimweg, und ihre Angehörigen daheim hungern wie sie 100 und erwarten sie mit schmerzlichem Verlangen; denn wenn sie auch heimkehren, so ist die Frucht ja noch nicht gemahlen, das Brot noch nicht gebacken." „Ich frage Sie, rief noch wilder vor Zorn der Amtmann, was Sie die Bauern angehen." 105 Der Kaiser mäßigte seinen aufwallenden Zorn. Er wollte dem guten Worte eine gute Stätte bereiten und sagte sanft: „Man muß menschlich sein, Herr Amtmann, und die Not der Leute nicht ohne Grund vermehren. Brechen Sie Ihrer geselligen Freude eine Stunde ab, und die armen Leute segnen Sie. Es ist eine große Qual, 110 neben dem Überflüsse zu darben; bedenken Sie das wohlwollend!" „Sparen Sie Ihre guten Lehren, rief der Amtmann, immer zorniger werdend, bis Sie dazu aufgefordert werden, sie zu erteilen! Ich weiß, was ich zu tun habe." „Aber was soll es mit den armen, hungernden Menschen 115 werden, fragte der Kaiser, die auf die Lebensmittel warten?" Der Amtmann drehte sich wütend um, wies dem Kaiser den Rücken und rief im Weggehen: „Sorgen Sie für Ihre Angelegen¬ heiten, und mischen Sie sich nicht unberufen in die anderer! Merken Sie sich das!" 120 „Halt!" ruft der Kaiser, dessen Geduld zu Ende war, reißt den Oberrock auf und tritt dem Amtmann einen raschen Schritt näher, indem er auf den kaiserlichen Stern auf seiner Brust zeigt und sagt: „Ich bin der Kaiser. Ich will Sie lehren, was Ihre Pflicht ist. Sie sind auf der Stelle Ihres Amtes entsetzt und 125 räumen schon morgen Ihre Amtswohnung. Ich bleibe hier, bis es geschehen ist. Merken Sie sich das!"