222 Schon in den sechsten Mond liegt er im Turm 935 Und harret auf den Richterspruch vergebens. Geßler. Weib, wollt Ihr mir Gewalt antun? Hinweg! Armgard. Gerechtigkeit, Landvogt! Du bist der Richter Im Lande an des Kaisers Statt und Gottes. Tu deine Pflicht! So du Gerechtigkeit 940 Vom Himmel hoffest, so erzeig sie uns! Geßler. Fort! Schafft das freche Volk mir aus den Augen! Armgard (greift in die Zügel des Pferdes). Nein, nein, ich habe nichts mehr zu verlieren. Du kommst nicht von der Stelle, Vogt, bis du Mir Recht gesprochen. Falte deine Stirne, 945 Rolle die Augen, wie du willst! Wir sind So grenzenlos unglücklich, daß wir nichts Nach deinem Zorn mehr fragen. Geßler. Weib, mach Platz, Oder mein Roß geht über dich hinweg! Armgard. Laß es über mich dahingehn! Da! (Sie reißt ihre Kinder zu Boden und wirst sich mit ihnen in den Weg.) Hier lieg ich 950 Mt meinen Kindern. Laß die armen Waisen Von deines Pferdes Huf zertreten werden! Es ist das Ärgste nicht, was du getan. Rudolf. Weib, seid Ihr rasend? Armgard (heftiger fortfahrend). Tratest du doch längst Das Land des Kaisers unter deine Füße! 955 O, ich bin nur ein Weib! Wär ich ein Mann, Ich wüßte wohl was Besseres, als hier Im Staub zu liegen! (Man hört die vorige Mufft wieder aus der Höhe des Wegs, aber gedämpft.) Geßler. Wo sind meine Knechte? Man reiße sie von hinnen, oder ich Vergesse mich und tue, was mich reut. 960 Rudolf. Die Knechte können nicht hindurch, o Herr! Der Hohlweg ist gesperrt durch eine Hochzeit. Geßler. Ein allzu milder Herrscher bin ich noch Gegen dies Volk. Die Zungen sind noch frei,